Neunte Szene


[91] Liesel kommt über den Steg, sie trägt einen Anzug, der von dem der andern Dirnen abweicht und zeigt, daß sie aus einer andern Gegend daheim.


Lied


Mit üble Vorsätz geh

Fort ausm Haus,

Glei schaut die ganze Welt

Anderschter aus!


Bin zeitlich fruh noch fort

Im Morgendunst,

Kenn alle Hund im Ort,

Freundlich warn s' sunst!

Nenn jeden bei sein Nam,

Kenn jeden gnau,

Hitzt bellen s' hinter oam:

»Schau, schau, schau, schau!

Da geht d' Horlacher – Lies,[91]

Mit der's net richtig is!

Schau, schau, schau, schau!«


Jodler ad libitum.


D' Vögerln, die in der Fruh

Singen so lieb,

Die schrein jetzt einm zu:

»Dieb, Dieb, Dieb, Dieb!

Ui, dö Horlacher – Lies,

Mit der's net richtig is!

Dieb, Dieb, Dieb, Dieb!«


Jodler.

Mit einer Gebärde, mit der man Vögel verscheucht, in die Hände klatschend.


Gscht! Nixnutzigs Gfliederwerk, nit wahr is's, so is die Horlacher – Lies net! Freilich hot die Mahm gsagt: hingehst und einschmeichelst dich! Als ob ich a Katz wär! Aber kein Red, dös tu ich net. Aber furt von hoam bin i gern, u mein, wie gern! Jahraus, jahrein kein andern Kirchturm sehn als den von Ellersbrunn, d' schön Zeit über vor harter Arbeit 's Kreuz kaum gspürn und 'n Winter über beim Spinnrade sitzen ... oh, du mein Gott, und auf einmal frei hnausrennen dürfen in die schön grüne, lichte Gotteswelt hnein – haha, bleibet a Narr hoam! – Jesses und Joseph! Frei kugeln möcht i mich im Heu!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 91-92.
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