Vierte Szene

[212] Hutterer und Sidonie aus dem Seitentrakt.


HUTTERER seine Frau an der Hand nach vorne führend. Komm nur heraus! Komm her! Was hör ich? Was hab ich hörn müssen?

SIDONIE verschüchtert. Ja, ich weiß nicht, was du gehört hast.

HUTTERER grimmig lachend. Ha!

SIDONIE. Du lachst?

HUTTERER. Fallt mir ein! Ich hab nix zu lachen, aber ös habts auch nichts zu lachen, das geb ich euch schriftlich. Is[212] das wahr, daß die Hedwig und ihr Klavierlehrer a Aug aufeinander habn? Is das wahr?

SIDONIE. Lieber Anton – –

HUTTERER. Ich bitt mir's aus, ich bin gar kein lieber Anton. Ich frag, habn die zwei ein Aug aufeinander, und wenn, wo hast du – als Mutter – dann die deinen ghabt?

SIDONIE. Daß sie sich leiden mögen, hab ich wohl bemerkt.

HUTTERER höhnisch. Ah?

SIDONIE entschuldigend. Aber ich hab sie nicht aufgmuntert.

HUTTERER. »Nicht aufgmuntert!« Was das für a Red is! Abschrecken hättst s' solln, daß s' gar nit auf so dumme Gedanken kommen.

SIDONIE. Ich hab ja nur immer und alleweil abgwart, was du dazu sagen wirst.

HUTTERER ganz perplex. Ich? Ja, hab denn ich a Ahnung ghabt?

SIDONIE. Aber, Anton, bei so junge Leut, die sich noch gar nit zu verstellen wissen! Du bist ja nicht blind und wirst dich von unsrer Bekanntschaft her erinnern – –

HUTTERER. Unsinn! Ich war kein Klavierlehrer und du keine Hausherrnstochter. Was weiß ich, wie zwei Geschöpf von so ein himmelweiten Abstand auf die Lieb verfallen, wo sich das eine aufdrängen und das andere wegwerfen muß?!

SIDONIE. Schau, Anton, sei gscheit.

HUTTERER. Bin ich's etwa net?

SIDONIE. Jetzt, wo du weißt, wie die Sach steht, solltest du als guter Vater unserer Hedwig ihrm Glück nicht entgegen sein.

HUTTERER. Sonst nix? Bist du a gute Mutter? Redst du mir zu, unser einzigs Kind an ein Hungerleider zu verheiraten? Gott sei Dank, daß ich mir ihr Glück mehr angelegen sein laß. Heiraten sollt s', das steht, aber ich hab a Partie für sie, was a Partie is! Gelt, da schaust? Ja, das[213] is mein Sach. Verstanden? Jetzt geh hinein, zahl 'n Herrn Klavierlehrer aus und sag ihm gleich, daß heut die letzte Lektion war; dann bring mir 's Madel her!

SIDONIE. Anton, übereil nur nichts!

HUTTERER. Da wird nix übereilt, das ist unter Männern abgmacht, und wenn du meinst, ich könnt mich über eine Weil anders besinnen, so verrechnest dich stark; eher bring ich das Madel um! Himmelsapperment, geh und tu, was ich schaff! Du kennst mich doch, wenn ich einmal mein Kopf aufgsetzt hab!

SIDONIE. Na ja, ich geh schon.


Kopfschüttelnd nach dem Haustrakt ab.


HUTTERER. Das kommt von dö verkehrten Einrichtungen! Bei ein Bubn fallt's ein gwiß nit ein, daß man ihm a Lehrerin halt, aber bei dö Madeln muß's a Lehrer sein, da zügelt man sich so ein jungen Lakl ins Haus, und nachher hat man's davon. Unglückseligs Klavierspiel, wem das a von uns zwei eingfallen is? Der alte Stolzenthaler hat mir gesagt, es wär jetzt schon notwendig, daß sein Bub amal gsetzt wurd, und bei mein Madel merk ich, es ist a höchste Zeit, daß's unter die Haubn kommt. Dö passen ja immer schöner zsamm.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 212-214.
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