Elfte Scene.


[254] Frau Xandl bei ihrem Stand. Thomas in seiner Bude, doch hinter den dort aufgestellten Krippen, daher nicht sichtbar. Gewühl von Käufern und Müßiggängern, ans dem sich nach und nach die folgenden Gruppen lösen; mit deren Abgange leert sich allmählich die Bühne fast ganz.


HERR UND FRAU SEITZER ein paar behäbige Bürgersleute, stehen ganz vorne links, das Treiben betrachtend.

SEITZER. Dös lass' mer sich kan Jahr nehmen, daß mer daherschau'n. 's is doch schön.

FRAU SEITZER an seinem Arme. Mer wird an seine eigne Kinderzeit erinnert.

SEITZER. Ja und 's kann ein'm fast verdrießen, daß mer selber nie was Kleines g'habt hat.

FRAU SEITZER beleidigt. Hätt'st dich umg'schaut! – Jetzt geh aber! Zieht ihn fort. Links ab.

TATERL langer, hagerer Herr, zwei kleine Knaben an der Hand führend. Kaufen? Aber Buberln, kaufen darf mer ja da gar nix, das muß ja's Christkinderl thun! Ich führ euch nur her, weil's brav wart's, damit's anschaun könnt's, was da is, und das hab'n mehr jetzt schon alles g'sehn, alles Hat eh' a Weil' 'braucht, weil's nirgends wegzubringen seid's. Um 'n Sperrsechser habt's mich schon g'bracht.

FRAU XANDL. Ui, der billige Großvater, der bleibt doch kein Jahr aus.


[254] Ein Arbeiter, er hat ein plumpes Hutschpferd sich auf den Kopf über seine Pudelmütze gestülpt, er hält es mit der Rechten, in der er überdies noch einen Kinder-Schiebkarren trägt. Sein Weib hängt an seinem linken Arme und schleppt links einen großen Einkaufskorb. Ein Bursche, junger Arbeiter, geht ihnen zur Seite.


ARBEITER lustig schreiend. Au – aufg'schaut, a Roß kommt!

BURSCHE. Oes seids Narren, sich so abiz'schleppen.

ARBEITER dem Publikum en face gegenüber, daß sein vergnügt lachendes Gesicht zwischen den beiden Schaukelpferdkufen hervorguckt. Du Hiesel, du. Es ist ja nur, daß mer 'n Kindern a Freud' macht! Gelt, Mutter?

SEIN WEIB. Aber freilich, Voda. Sie gehen nach rechts ab.

BURSCHE folgt ihnen nach, an dem Stande der Frau Xandl bleibt er stehen.

FRAU XANDL. Na, was is's denn, lös' ich a Geld?

BURSCHE. Dös müssen Sö wissen. Was fragen S' denn mi?!


Ab nach rechts.


FRAU XANDL. Schau, daß d' 'n Schwung kummst!


Frau Rätin Holler, eine noble Dame mit ihrem kleinen Töchterchen Adalgise an der Hand. Ein Dienstmann mit einer Unzahl Spielwarenpaketen und einem Christbaum bepackt, folgt nach.


ADALGISE sich von der Mutter losreißend, auf die Bude des Thomas zulaufend. Ach, Mama, das ist interessant![255]

FRAU HOLLER. Aber, Adalgise!

THOMAS tritt hervor. Er ist etwa dreißig Jahre alt, zeigt ein rundes, gutmütiges Gesicht, trägt Schnurrbart, dessen Enden in den kurzen Backenbart verlaufen. Er hat ein Winterjackett aus dickem Loden an, darüber trägt er einen alten Kragenmantel, wie man solche noch bei Kutschern sieht, Tuchschuhe auf den Füßen und als Kopfbedeckung eine Tuchmütze mit Ohrlappen. An den Schirm der Mütze greifend. Gut'n Abend!

FRAU HOLLER zu Adalgise. So komm doch!

THOMAS. Vielleicht was gefällig, gnädige Frau?

FRAU HOLLER. Ach, was Sie da haben, sieht ja alles nichts gleich.

THOMAS. Wem sag'n Sie das, gnä' Frau! Ein'm Spielwarenpraktikus, wie mir? Das sein ja grad 'n Kindern d' liebsten Sachen, die nach nichts ausschauen, denn dö sehn allem gleich und da laßt sich erst was draus machen. Wie langweilig ist z.B. so a schofwollenes Lamperl, das schreit, wann man ihm 's G'nack umdraht, d'Woll' muß 's Kind im Kopf haben und schrei'n muß's selber. Da lernt's auch was dabei.

FRAU HOLLER. Ja, ich sehe schon, ich werde Ihnen etwas abnehme müssen, die Kleine ist sonst nicht wegzukriegen.

THOMAS. A gute Eigenschaft.

FRAU HOLLER auf die Weihnachtskrippe deutend, die Adalgise von Schragen genommen hat. Was kostet das?[256]

THOMAS. Ein' Gulden achtzig.

FRAU HOLLER. So teuer?

THOMAS. Gnä' Frau, ich verdien' nit amol 'n Streusand dran, den ich auf dö Felsen brauch', und bitte nur auch 'n Fortschritt zu beachten, seh'n S', es ist blauer drunter, jetzt haben Sie doch stellenweise einen bläulichen Anblick, früher war 's Ganze gräulich. Die Rätin tritt zur Bude und bezahlt.

DIENSTMANN. Noch was? No, ich dank'! Wann jetzt wo aner an an' Eck stund', nehmet ich mir selber an' Dienstmann.

FRAU HOLLER nach ihm gewendet. Kommen Sie!

ADALGISE das Kripplein umklammernd. Nein, nein!

FRAU HOLLER. Nun, meinetwegen, kleiner Eigensinn, trage es nur selbst.


Wendung zum Gehen.


THOMAS. Küss' d'Hand, gnä' Frau, schenken mir aufs Jahr wieder die Ehr'!

FRAU HOLLER nickt mit dem Kopfe, dann zu Adalgise. Du wirst es fallen lassen und gleich ruiniert haben.

ADALGISE. Aber, liebe Mama, glaubst du denn, Sich umwendend und mit der freien Rechten einen halben Bogen um den Dienstmann beschreibend. ich werde das nicht ruinieren? Rechts ab.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Stuttgart 31898, S. 254-257.
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