Dritte Scene.


[311] Hermine, Alwine und Schrauber.


SCHRAUBER. Ein fürchterlicher Mensch das! Gnädige Frau, ich bitte tausendmal Um Vergebung, daß ich mich da so ausartend benommen habe, aber dieser Fähnlein brachte mich in eine Hitze –

ALWINE auf ihn zutretend. Wahrhaftig, Sie sehen ganz echauffiert aus.

SCHRAUBER fährt mit dem Taschentuch über die Stirne. Ja, er hat mir so heiß gemacht, daß ich auf alle Rücksicht vergessen habe, die ich, junger Bengel, eigentlich ihm als altem Manne schuldig wäre, und das thut mir jetzt sehr leid. Nun, bei nächster Gelegenheit leiste ich ihm Abbitte.

ALWINE. Sie sind ein braver Mann, Herr Doktor!

SCHRAUBER. Ich bedaure sehr, mein Fräulein, daß mir Ihre gütige Promovierung nichts nützt, Doktor bin ich noch nicht, wenn Sie mich aber für einen braven Mann halten, so ist mir das eine Ehre, der würdig zu bleiben ich stets bestrebt sein werde und immer zu Ihren Diensten – zu Ihren Dienst meine Damen.[311]

ALWINE. Und nicht wahr, Sie haben die Ueberzeugung, daß Papa nichts widerfahren ist?

SCHRAUBE. Die ausgesprochenste.

HERMINE. Und worauf stützt sich diese Ihre ausgesprochene Ueberzeugung?

SCHRAUBER. Das ist allerdings schwer zu sagen, sie ist eigentlich Gefühlssache, Instinkt, Ahnung –

HERMINE. Das alles trügt oft.

SCHRAUBER. O, nicht doch, nicht immer!

ALWINE. Was macht Sie so zuversichtlich?

SCHRAUBER verlegen. Ach, mein Fräulein – Für sich. Ich kann ihr es doch nicht sagen. Es sähe so roh aus, wo sie vielleicht jetzt, eine Waise, vor mir steht, oder doch in der Furcht, es zu werden. Dieser abwesende Vater setzt mich mehr in Verlegenheit wie die anwende Mutter.

ALWINE. Sie schweigen? Darf man gar nicht darum wissen?

SCHRAUBER. Nun denn, mein Fräulein, ich glaube nicht daran, daß so schweres Unheil dieses Haus bedroht, weil das Schicksal doch nicht so grausam sein kann, diese hellen Augen zu trüben! Für sich. Da sag' ich doch dem armen Kinde eine Schönheit, das ist nicht schön von mir.[312]

ALWINE. Ach, du lieber Himmel, um unserer hübschen Augen willen erspart uns wohl das Geschick nichts von dem, was es uns zugedacht hat.

HERMINE. Da hast du sehr recht, mein Kind!

SCHRAUBER. Aber, meine Damen, was veranlaßt Sie wenn, vorauszusetzen, daß Ihnen nur Uebles und von diesem das Allerübelste zugedacht wäre? Wer weiß, welche Nachrichten uns Fähnlein zurückbringt – was etwa mittlerweile auf dem Wege hierher ist – oder gar, von uns ungeahnt, schon vor der Thüre steht.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Stuttgart 31898, S. 311-313.
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