Achte Scene.


[335] Doktor Hammer, Fähnlein sitzen bei Tisch einander gegenüber, ersterer rechts, der andere links. Ab und zu alte Hammer aus der Küche, Florian von links.


HAMMER. Sie sind schweigsam, Fähnlein.[335]

FÄHNLEIN. Ach, Herr Doktor, Sie scheinen ja auch nicht gesprächig zu fein!

HAMMER. Ich befinde mich in einer peinigenden Unruhe.

FÄHNLEIN. Ja darin will ich Sie denn doch nicht stören.

ALTE HAMMER aus der Küche. Jesses, na, jetzt könnten S' aber doch schon kommen! Es is alles fertig. Ich muß eins ums andere wieder von Herd wegrucken und weiß nit wohin damit. Sie öffnet die Thüre links und ruft hinaus. Florian! Schließt die Thüre und wendet sich gegen Doktor Hammer. Na, siehst es, Arthur, jetzt kommt's halt doch auf mei' Reden h'naus. Warum hast 'n Thomas hinschicken müssen?

FLORIAN von links eintretend. Hab'n S' g'ruft, Madam' Hammer?

ALTE HAMMER. Is no nix z' sehn?

FLORIAN. Na!

ALTE HAMMER. Na, dann gehen S' nur und schau'n S' wieder fleißig.

FLORIAN. Ich werd' mer doch nit nachsagen lassen, daß ich mit dö Augen faulenz'. Ab.

ALTE HAMMER wieder zu Doktor Hammer gewendet. Dein Bruder hat nie was anders an'geb'n, wie Dummheiten, wirst sehn, er hat a da wieder eine g'macht. Ab in die Küche.

HAMMER. Wir bleiben also beisammen, Fähnlein.[336]

FÄHNLEIN. Ach, das ist mir ein großer Trost.

HAMMER. Wir werden uns für den Anfang recht klein einrichten müssen.

FÄHNLEIN. Pah, klein ist nett und ich bin ja auch ein alter Mann, der für ein größeres Geschäft bald nimmer zu brauchen sein wird.

HAMMER. Fähnlein meine Frau hat sehr angegriffen ausgesehen?

FÄHNLEIN. Ach ja, die arme Gnädige.

HAMMER. Und das Mädchen?

FÄHNLEIN. Wie denn nicht!?

HAMMER für sich. Will's Gott, so mach' ich sie das alles bald vergessen.

ALTE HAMMER aus der Küche. Du lieber Himmel! Das dauert ewig lang. Wann s' kommen, so müssen s' ja doch schon bald da sein. Wie oben. Florian! Wann ich nur auf mein' Will'n b'standen hätt' und wir wären selber h'neing'fahr'n!

FLORIAN eintretend. Hab'n S' wieder g'ruft?

ALTE HAMMER. Rührt sich no nix?

FLORIAN. Aber na! Schau'n S', Madam' Hammer, heut, wo der Herr Doktor zugeg'n is und dös das Gastzimmer vorstellt, kann ich respektshalber und der bessern Ventilation weg'n[337] herin nit raucken, und wann ich dö Pfeifen draußt wegleg', so oft ich h'reingeh', geht sie aus. Muß das sein?

ALTE HAMMER. Also, da schau'n S' nur wieder zun Dazuschau'n, aber wie S' was sehn, kommen S' gleich!

FLORIAN. Dös schon, nur müssen So nit verlangen, da ich gleich was siech, wo nix z' sehn is. Ab.

ALTE HAMMER zu Doktor Hammer. Hätt'st du mir g'folgt, wär'n mir nur selber hin, so wußten wir jetzt, wie wir dran sein, hätten uns dö ganze Warterei erspart und brauchten nit in Angst und Sorg' zu sein. Ab in die Küche.

HAMMER. Wie war's, Fähnlein, wenn ich mich als Rechtsanwalt für Arme etablierte?

FÄHNLEIN. Hm, Herr Doktor, ein Armen-Advokat bleibt meist ein armer Advokat.

HAMMER mit Bitterkeit. Es siel mir nur bei, weil ich da die Erfahrungen verwerten könnte, die ich in anderen Gesellschaftskreisen gemacht habe. Es hätte einen Reiz, den wehrlosen Armen vor der brutalen Genußsucht der Besitzenden die ihn plündern, aussaugen, verderben will, zu schützen und lüsternen Schelmen ihr Opfer zu entreißen.

FÄHNLEIN. Warum wollen Sie das ausschließlich betreiben? Ab und zu findet sich ja Gelegenheit zu einem solchen persönlichen Racheakt.

HAMMER betroffen. O, Sie mißverstehen mich, Fähnlein.[338]

FÄHNLEIN verneigt sich. Dann entschuldigen, Herr Doktor.

HAMMER. Ich meinte nur, es wäre das gar kein zu verachtendes Geschäft, man könnte sich immerhin dabei ernähren und wenn auch sonst nichts, doch einen guten Namen hinterlassen.

FÄHNLEIN. Ja, ja, das ist auch etwas – aber wenig.

HAMMER für sich. Ich hätte den nicht zu vererben gehabt! Laut. Fähnlein Sie haben die Meinen klagen gehört, was sagten die?

FÄHNLEIN. Du lieber Gott, die Damen sprachen nicht viel, sie weinten häufiger und höflicherweise konnte ich auch nicht anders und habe mich dabei beteiligt, nur der junge Mensch, der Schrauber, war von einer so aufdringlichen Tröstlichkeit, daß er mir zuletzt ganz unangenehm wurde.

ALTE HAMMER aus der Küche. Na, jetzt halt' ich's aber nimmer aus! Der Thomas kommt auch nit z'ruck! Da muß was g'schehn sein! Wie die früheren Male. Florian! – Da bleibt nix über, Arthur wir müssen wem hinschicken.

HAMMER erhebt sich. Sie könnten doch sehen, Mutter, wie ich die Aufregung in mir niederkämpfe, und da jagen Sie mich über Hals und Kopf in selbe hinein!

FÄHNLEIN ist zugleich mit Hammer aufgestanden. Ganz unbehaglich!

FLORIAN eintretend. Sie können Ihnen halt 's Rufen net abg'wöhnen.

ALTE HAMMER. Jetzt müssen S' ja doch amal was g'sehn hab'n?![339]

FLORIAN. Aber, Madam' Hammer!

ALTE HAMMER. Zu was stehen S' denn nachher draußt, wenn S' nix sehn?!

FLORIAN gekränkt. Kann ich s' denn herzaubern? Das geht jetzt schon über d'Fragerei, wie s' im Büchel vom Blaubart beschrieb'n is: »Schwester, siehst du noch nichts?« – Sie können Ihnen doch denken, wann ich nit kumm', so kummt nix, und wann was kummt, so kumm' i! Und dann ein' da vor'n Leuten herstellen, als ob mer ein' Komfortäfl von einer Scheibtruchen nit z' unterscheiden wußt' – muß das sein? Brummend ab.

ALTE HAMMER zu Hammer. Da hast's gehört, wie ich mich mit 'n eigenen Leuten ereifer', dö ganz unschuldigerweis' dazukommen, und da red du mir dann noch von deiner Aufregung! Denk du an dein' arme Frau. Glaubst etwa – nach all dem, was ihr von gestern auf heut widerfahren is – wird dö von Eisen sein?! Die hat sicher ein' Anfall g'habt und muß liegen.

HAMMER. Um Gottes willen!

FÄHNLEIN. Lieber Herr Doktor, das sieht oft schlimmer aus, das geht vorüber. Da spielt so vieles mit – Nerven. Launen, Krämpfe – beim Weib – o Gott!

ALTE HAMMER. Sö haben's notwendig. Auch so a alter Hagestolz, weiß 'n Teufel vom Weib und red't per »o Gott« davon.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Stuttgart 31898, S. 335-340.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Heimg'funden
Anzengrubers Werke: Teil 5. Brave Leut' vom Grund.-Heimg'funden.-Stahl und Stein.-Der Fleck auf der Ehr'

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gedichte. Ausgabe 1892

Gedichte. Ausgabe 1892

Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.

200 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon