[268] Er stand vor einer Schmiede tief im Walde
Und schaute durch die ruß'ge Fensterhöhle,
Wo drinnen riesige Gestalten regsam
Mit langen Haken schürten wilde Gluthen,
Wo fauchend in die Flamme fuhr der Sturmwind,
Der aus dem Blasebalg gewaltig schnob,
Wo glühend Eisen schleppend trug ein Riese
Und auf den Ambos legte und der Andre
Den wucht'gen Hammer in die Höhe schwang
Und seine Sehnen kraftvoll dehnend reckte
Und klingend, schmetternd auf das sprühende Eisen
Den Hammer warf, indeß der Flamme Glühen
Des Mannes Antlitz purpurroth umschien.
Da staunt er ob der kräftigen Gesellen
Und mächtig faßte ihn der Anblick an,
Der riesenhafte und vulkanisch-schöne.
Da trat ein schwarzer Kerl her aus der Schmiede
Zu ihm, der fuhr ihn höhnisch lachend an:
»Was gaffst du hier, du Milchgesicht, gewaschnes?!
Kannst du den Hammer schwingen? Was? Und nieder
Den Ambos schmettern, daß der Boden raucht?
Heb dich hinweg, sonst haucht der Blasebalg
Dich wie ein Stückchen Wolle aus dem Wege!«
Und sprach's und packte zu und warf ihn nieder
Und prügelt ihn nach Leibeskräften durch.
Es traten die Gesellen in das Thor hin
Und lachten vor Vergnügen, daß die Sterne
Vom Dröhnen der Erschütt'rung zitternd bebten
Und fast vor Schreck herabgefallen wären.
Sternschnuppen fielen wie die Prügel nieder,
Der Mond verzog sein breites Angesicht
Und lachte, daß die heitren Thränen nieder
In weißem Schimmer auf die Bäume flossen
Und in den Teich in hellen Tropfen fielen.
Es lächelte der Teich sogar in Wellen
Und sah den Mond verständnißinnig an[269]
Und schluckte vor Vergnügen all' die Thränen,
Die von dem Mond in weißen Lichtern fielen.
Und Alles lachte auf der weiten Erde,
Bis die Gesellen prügelsatt ihn ließen;
Sie schritten wieder in die heiße Schmiede
Und schürten lachend neue Gluthen auf.
Er lag am Boden, blickte auf zum Himmel
Und fühlte selber schmerzliches Vergnügen
Und rief die Sterne und die Monde an:
»Ihr kleinen Sterne, o du breiter Mond,
Ihr großen Götter, o du weiter Himmel,
Seht mich Zerschlag'nen an! Und ahnt ihr Guten,
Was der Humor von der Geschichte ist?
Bewund're die Natur in ihrer Größe,
In ihrer Allmacht und erhab'nen Schönheit,
Sie frißt dich doch zuletzt und drückt dich todt.
Wer ist der Stärk're nun, ihr Schandgesellen?
Seid ihr's? Bin ich's, der euren Prügel spürt
Und 'was Gescheidtes noch dazu sich denkt?
Wer macht den bess'ren Witz? Ich oder ihr?!«
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Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
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