366. Die Burg Boxberg.

[325] Auf diesem Bergschloß lebte vor Zeiten eine Freifrau von Rosenberg, die den Armen viel Gutes that. Um es vor ihrem Mann zu verbergen, machte sie manche[325] heimliche Gänge, welche der Ritter endlich merkte, und daraus Verdacht schöpfte, daß sie ihm untreu sei. Er schlich ihr deßwegen, als sie wieder einmal so weggegangen war, mit einem Beile nach, um ihr, wenn sie schuldig, das Leben zu nehmen. Am Burggraben fand er sie, wie sie unter die Armen, welche dort schanzten, aus einem Korbe Brod und Wein vertheilte. Da erkannte er seinen Irrthum und lebte fortan mit seiner Frau in ungestörter Liebe und Einigkeit.

Auf dem Schlosse sind beide in Lebensgröße ausgehauen; er mit dem Beile und sie mit dem Korbe, worin Brod und Wein ist.

Bei einer Belagerung der Burg bat ein Knecht der Besatzung um die Erlaubniß, dem feindlichen Anführer, welcher jenseits der Umpfer, auf dem Berg dem Schlosse gegenüber, sich zeigte, den Hut vom Kopfe zu schießen, ohne den Mann zu verletzen. Nachdem der Burgherr eingewilligt, schoß der Knecht zweimal über das Thal hinüber und jedes Mal dem Anführer, ohne ihn zu beschädigen, den Hut vom Kopfe. Da sandte der Verschonte in die Burg, ließ dafür, daß die beiden Schüsse nicht auf seinen Leib, sondern auf seinen Hut gerichtet worden, danken und Frieden anbieten, welcher auch alsbald geschlossen wurde.

Der Krappenthurm des Schlosses hatte eine solche Höhe, daß die Pfälzer, um ihrem Herrn die Erstürmung der Burg kund zu thun, auf diesen Thurm ihre Fahne pflanzten, welche denn auch zu Heidelberg, das achtzehn Stunden davon entfernt ist, mit Freude wahrgenommen wurde.

Vom Schlosse gingen zwei unterirdische Gänge, jeder drei Stunden lang, nach verschiedenen Seiten. Der eine[326] durch den Reißberg und in dieser Richtung fort; der andere nach Boppstadt und von da weiter bis in das Dickicht des Gehölzes.

In der Burg befanden sich vormals große Schätze, besonders in dem Gewölbe, das noch heute die Silberkammer heißt. Beim Abbruch der Wohnung über dem, jetzt auch niedergerissenen, äußern Thore, fiel mit dem Schutt auf einmal etwas Schweres, Klingendes herab. Der Knabe des Maurers sprang darnach; sein Vater aber hieß ihn, wegen der herunterfallenden Steine, zurückbleiben. Als der Maurer sich entfernt hatte, suchte der Bube auf dem Platz und fand noch einen Thaler von altem Gepräge; das übrige Geld war verschwunden.

Auf dem Berggipfel hinter dem Schlosse, welcher die Zent heißt, erscheinen von Zeit zu Zeit am Mittage zwei weiße Fräulein und deuten mit ausgestrecktem Arme nach der Burg hin.

In dieser selbst spuken ein Hofmetzger und ein Hofbäcker und verrichten ihre Handwerksgeschäfte; auch wurde schon, auf dem Fruchtspeicher, ein Simri von unsichtbaren Händen hin und her gerollt.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 325-327.
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