484. Die vierzehn Brüder.

[355] Im grauen Alterthume hatten vierzehn Brüder, alle reiche, mit vielen Grundstücken in Meklenburg belehnte Herren, den Entschluß gefaßt, ein großes, prächtiges Gotteshaus in Rostock zu erbauen. Sieben von diesen Männern haben nun deshalb im ganzen Lande Geld und Baumaterialien zusammengebracht und nach Rostock geschickt, die andern sieben aber sind in Rostock geblieben und haben hier den Bau der Marienkirche beaufsichtigt und geleitet. Von diesen sieben in Rostock gebliebenen Brüdern hat nun einer die Kasse oder den Beutel gehabt und die andern in der Berechnung betrogen. Dieses ist jedoch entdeckt worden, worauf ihn denn seine Brüder getödtet haben. Ein Tableau in der Marienkirche stellt die sieben Brüder dar, welche in Rostock den Bau der Kirche leiteten und besorgten. In ihrer Mitte erblickt man auch den Betrüger mit einem Beutel in der Hand. Außerdem daß sich mehrere kleine Kugellöcher auf verschiedenen Theilen seines Körpers befinden, zeichnet er sich auch noch durch die Weiße seines Gesichtes vor den andern sechs Brüdern aus, wodurch er gleichsam als eine Leiche erscheint. Auch zeigte mir der Kirchendiener oben am Thurme, in der Höhe, wo ungefähr die Glocken hängen, nach der Abendseite und den Prediger-Wohnungen zu, vierzehn menschenähnliche Gegenstände, die in dem Mauerwerke als Verzierung angebracht sind, darstellend die sämmtlichen vierzehn Brüder oder Männer, welche den Kirchenbau ausgeführt haben sollen.


Kämmerarius H. Pintz bei Niederh. 2, 201 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 355.
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