616. Müller Strohkark.

[441] In dem Dorfe Strohkirchen, zu der Zeit, als dasselbe nur erst aus fünf Familien bestand, hauste ein räuberischer Müller, Namens Strohkark. Sein burgähnliches Haus lag an der Jasnitz und war von Wällen umgeben, die auch heute noch nicht ganz gefallen sind. Zehn Müllergesellen wohnten mit ihm darin. Weitere Hilfe hatte er an seinen Unterhauptleuten, von denen der eine in der Jahnkenstadt bei Kuhstorf, der versunkenen Stadt, durch ein Horn benachrichtigt wurde, während der andere, der in der Saumburg, am Ufer der Sude bei Moraas, lag, seine Signale durch eine Pfeife erhielt. Der Müller beunruhigte die ganze Gegend, namentlich auch die Klöster Zarrentin und Eldena, und führte zahlreiche Werthsachen von dort mit sich fort. Endlich beschloß man, ihm das Handwerk zu legen, und wiewohl er durch verkehrt untergelegte Hufeisen die Feinde zu täuschen suchte, so kam man doch hinter seinen versteckten Aufenthalt. Um nicht gefangen zu werden, entschloß er sich, seine Burg zu verlassen, vergrub seine Schätze, übergab Horn und Pfeife seinen beiden Unterhauptleuten und zog über die Elbe. Man hat nichts wieder von ihm gehört. Die beiden Unterhauptleute setzten das frühere Raubwesen fort, der von der Saumburg fiel im Kampfe, der in der Jahnkenstadt wurde durch ein Mädchen verrathen, das er geraubt hatte. Dieselbe traf nämlich auf einer nach vielem Bitten durchgesetzten Reise in die Stadt mit ihrem Bruder zusammen, und da sie durch einen Eid gebunden war, ihren Aufenthalt nicht zu verrathen, auch dorthin zurückkehren mußte, so streute sie Erbsen auf ihren Weg. Diese wurden allerdings bald mit Sand bedeckt, aber sie keimten aus und zeigten so den Ihrigen die Fährte.

Von der Strohkark'schen Mühle stehen nur noch die Pfähle, auf denen das Rad geruht, auch steckt die Erde voll Balken und Bohlen und, wie man sagt, voller Schätze. Im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts hat der Bach eine silberne Schale ans Ufer gespült. Daß in der Nähe des Baches auf einer Stelle kein Backofen beim Bau einer neuen Mühle hat stehen wollen, sondern stets wieder[442] eingefallen ist, nachdem man ihn ein paarmal geheizt, schiebt man ebenfalls auf den verborgenen Schatz. Ebenso soll in der Franzosenzeit ein Soldat aus Mölln gesagt haben, daß die Unfruchtbarkeit eines großen, nicht fern von dem Mühlplatze stehenden Birnbaumes von dem darunter liegenden Schatze herrühre. Alte Leute behaupten auch, Geldfeuer gesehen zu haben.


Niederh. 2, 57 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 441-443.
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