650. Der Gerichtsberg bei Kittendorf.

[463] Eine Viertelmeile von Kittendorf bei Stavenhagen, an der preußischen Grenze, liegt ein mit ungefähr hundert Tannen bepflanzter Berg, der Gerichtsberg. Auf ihm wurde ein blödsinniges Mädchen unschuldig hingerichtet, das man der Brandstiftung anklagte. Vergeblich hatte sie ihre Schuldlosigkeit betheuert; man setzte sie den Qualen der Folter aus, und diese erpreßten das Geständniß ihrer Schuld, welches sie später widerrief. Als die Verurtheilte zum Scheiterhaufen geführt[463] wurde, bat sie Gott, er möge der Nachwelt ein Zeichen ihrer Unschuld geben. Täglich um die Mittagsstunde sah man die Hingerichtete mit einem blutbefleckten Tuch zu dem nahen See gehen, um es hier vom Blut zu reinigen. Nach Jahren wurden die Bäume des Gerichtsberges gefällt; bei dieser Arbeit fand ein Mann seinen Tod, aus den Stämmen der Bäume aber entquoll Blut. Seit dieser Zeit sah man die unschuldig Gemordete nie wieder.


Marie W. in Schwerin.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 463-464.
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