1165.

[221] Das Martini-Singen der Currentschüler war in Grabow ein sehr alter Gebrauch. Die Currentschüler trugen alle einen Chormantel;[221] wer keinen besaß, der lieh sich einen, was oft seine großen Schwierigkeiten hatte. Der Cantor, der hier früher den Schulgesang leitete, suchte sechzehn bis zwanzig der besten Sänger unter den Rectorschülern heraus, die dann an dem Martini-Tage anfingen, hier vor allen Thüren zu singen. Der Anfang wurde stets Morgens 7 Uhr auf hiesigem Amte – soweit ich mich erinnere – mit ›Gott segne Friedrich Franz‹ gemacht. Vor den Häusern, in denen sich zufällig eine Leiche befand, wurde stets ›Jesus meine Zuversicht‹ gesungen. Die Knaben führten zwei große verschlossene Sparbüchsen bei sich, deren Schlüssel – irre ich nicht – der Cantor während des Singens in Verwahrsam hatte. Einer von ihnen ging dann, nachdem sie, in der Regel, zwei Lieder vor der Thür gesungen, mit der Büchse ins Haus und erbat eine Gabe. Bei den Bäckern war es Sitte, daß ein Jeder für 2 bis 3 Schilling (respective acht bis zwölf Stück) Kringeln gab; diese wurden draußen Demjenigen übergeben, der von ihnen der Unterste in der Schule war, dem sogenannten Schlußoffizier. Dieser hatte entweder einen dicken Bindfaden oder auch wohl einen ledernen Riemen über der Schulter, worauf er dann die Kringel zog und hiemit bis Mittags oder Abends umherging. Auf mehreren Stellen bekamen sie auch warmes Getränk, besonders bei den Eltern, die einen Knaben dabei hatten. Das Singen durch die ganze Stadt dauerte eineinhalb bis zwei Tage. Nachdem es vorbei war, gings zum Cantor, der das Geld nachzählte und unter die Schüler vertheilte, die sich dann schließlich noch einige Stunden in der Cantorclasse bei einem Glase Punsch oder einer Tasse Chocolade vergnügt hielten.


C. Martiensen in Grabow.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 221-222.
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