1482.

[304] Bei Erntefesten ist es im Lande sehr verschieden. Auf vielen Gütern bekommen die Dorfleute (Tagelöhner) Fleisch, Brot, Grütze etc. Nach alter Weise, wie hier auf einigen Gütern noch jetzt, werden die sämmtlichen Dorfleute mit den Hofleuten gemeinschaftlich auf dem Hofe gespeiset, wobei ein paar der Tagelöhnersfrauen das Kochen besorgen. Einer der Tagelöhner hat die Bier-, ein anderer die Branntweinschenke. – Gewöhnlich werden mit dem Erntebier Hochzeiten verbunden. Mit Musik, natürlich alle zu Wagen, kommen sie Morgens 10 Uhr zur Pfarre, wo die Braut, falls sie eine Bekränzte ist (solche Hochzeiten sind nur mit dem Erntefest zur Auszeichnung in Verbindung), bekränzt und aufgeputzt wird. Viele lassen jetzt die Krone schon fahren, und nehmen statt derselben einen Kranz oder den modernen französischen Schleier. – Mit Musik geht der ganze Zug bis zum Kirchhofsthor, wo die Musikanten stehen bleiben und den Hochzeitszug bis zur Kirche spielen, wo der Pastor ihn empfängt. Nach der Trauung empfängt die Musik am Kirchhofsthor den Zug und so gehts denn mit Musik und vielem unvermeidlichen Juchen zu Hause nach dem Hofe. Die Knechte, welche fahren, haben bunte Tücher um die Hüte gebunden, bunte Bänder an den Peitschen und auch die Pferde sind damit geschmückt.

Wein und Kuchen bringen sie mit zur Pfarre und verzehren es während des Aufputzens und natürlich darf der Pastor und Familie es nicht verschmähen, was davon angeboten wird.

Das Festessen besteht fast immer in Fleischsuppe mit Klößen etc. in Rindfleisch und Kartoffeln, dickem Reis und Pflaumen. Wenn die[304] Hochzeit bei Bauern ist, sind noch Fische da und verschiedene Braten und Wein für die vornehmen Gäste. Die geladenen Gäste liefern bei den Bauern als Hochzeitsgeschenke: Malz zu Bier, trockene Pflaumen, Hühner, Gänse, Butter etc.

Nach dem Essen fängt das Tanzen an.

Beim Erntefest auf den Höfen muß die Herrschaft den Ehrentanz machen, der Herr mit der Braut, die Frau mit dem Brautmann. Gegen Abend kommt der Zug mit Musik zur Herrschaft und tanzt den Erntekranz oder die Erntekrone ab, die vier Hofmädchen tragen, woran Lichter befestigt sind, und die so gleichsam den Kronleuchter im Tanzlocale bildet, und dabei singen sie, indem sie herumtanzen. Ein Mädchen von denselben spricht dann:


Guten Abend! meine Herren und Damen, wohl insgesammt!

Hier bringen wir Sie den Ohrentkranz,

Die Ohrent is geschehen ganz.

Wir haben gebunden, dat dat Sand gestöwt,

All meine Herren lassen Sie auftragen, daß der Tisch sich bögt.

Dieser Kranz ist gemacht hübsch und fein,

Den haben gemacht die Mädchen allein.

Dieser Kranz ist gemacht bei der Nacht;

Dabei sind wir gewesen ganz munter und wacht.

Ich wünsch dem Herrn und der Frau einen vergoldeten Tisch,

Auf allen Ecken einen gebratenen Fisch,

In der Mitte möcht sein ein Gefäß mit Wein,

Das möcht dem Herrn und der Frau ihre Gesundheit sein.

Ich wünsch dem Herrn und der Frau ein schneeweißes Hemd;

Damit soll ihr jung Leben vollendt. – (Musik und Hurrah!)


Dann hält ein Mädchen noch eine Ansprache, nachdem die vier Erntekranz-Trägerinnen wieder gesungen und getanzt, und überreicht Allen Bouquette, soviel sie eben hat, wofür sie ein Geschenk an Geld empfängt. – (Mit Musik und Hurrah ab.)

Im Tanzlocal wird dann das Tanzen bis zum Morgen fortgesetzt, nachdem Nachmittags gemeinschaftliches Essen für die Hofleute und Hochzeitsleute und Abends gemeinschaftlich für Alle noch zum Abendessen angerichtet ist. Das Tanzlocal ist mit Fichten ausgeschmückt und gewöhnlich sehr mäßig beleuchtet.


Pastor Bassewitz.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 304-305.
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