Erste Szene.

[340] Rat Zabern und die Rätin sitzen am Teetisch, Katharine neben der Rätin schneidet Figuren aus. Fritz steht neben ihr. Cäcilie sitzt am andern Ende und strickt. Sittig neben ihr, liest die Zeitung. An der andern Seite der Bühne steht Katharinens Stickrahmen.


SITTIG indem er die Zeitung weglegt. Das Blatt enthält fast gar nichts. Sendet sich zu Cäcilien.

RAT gähnend. Die Zeitung wird immer langweiliger.

RÄTIN. Desto besser, mein Schatz! Ich wollte, die Zeitungen wären gar nicht erfunden. Was kümmern mich die Franzosen und die Engländer!

RAT. Ei, mein Kind! Man muß doch den Weltlauf beobachten.

RÄTIN. Fegte doch ein jeder vor seiner Türe und ließe die anderen gewähren! Das ist meine Politik. Nicht wahr, Cäcilie?

CÄCILIE macht ihre Hand von Sittig los. Ja, Mama.

KATHARINE. Nun bin ich fertig. Sehen Sie, Fritzchen? Pferde und Wagen – die schönste Equipage!

FRITZ. Prächtig! Nun fehlt noch der Kutscher.

RÄTIN. Fritz, du wirst dem Fräulein lästig.

KATHARINE. Nicht doch, Frau Rätin. Kommen Sie, Fritz, wir wollen gleich einen Kutscher machen.[340]

RAT. Sie werden den Burschen verderben, Fräulein, und uns mit ihm. Einen Tee haben Sie da komponiert, einen wahren Göttertrank! Ich möchte wohl noch um ein Schälchen bitten – Indem er seine Frau ansieht.

RÄTIN. Nein, nein, es erhitzt dich.

KATHARINE. Man kann Wasser zugießen. Darf ich, Frau Rätin? Ich mach' ihn recht schwach.

RÄTIN. Eine halbe Schale denn –

KATHARINE. Sogleich.

RAT. Nehmen Sie den Dank eines halbverhungerten Menschen.

RÄTIN. Du denkst an nichts als ans Essen!

RAT. Ach, es ist ein so schöner Gedanke! Schlürft. Das schmeckt! Dort liegt ja ein Brötchen – Sie sind als ein wahrer Schutzengel in unser Haus gekommen, denn mein verliebtes Fräulein Tochter dort –

CÄCILIE. Papa –

RÄTIN. Herr Gemahl –

RAT. Ich sage ja nichts. Aber Sie kommen mir vor, als ob Sie auch meine Tochter wären.

CÄCILIE. Und mir, wie meine Schwester.

RAT. Gestern abends, als Se. Exzellenz Sie zu uns brachte, und Sie so munter schwatzten und uns so vieles erzählten – ich bin sonst meine Partie gewohnt – aber ich will mich nie wieder satt essen, wenn Sie mich nicht besser unterhalten haben als die schönste L'hombre-Partie. Man fühlt sich gleich so heimlich, so behaglich, so vertraulich mit Ihnen.

CÄCILIE leise zu Sittig. Das haben Sie auch gefunden!

SITTIG ebenso. Reizen Sie mich nicht, sonst –

RÄTIN. Sie bringen mir meinen phlegmatischen Herrn Gemahl in Feuer und Flammen, Fräulein.

KATHARINE. Sie sind alle so gut, so freundlich! Aber lassen Sie dem wilden Mädchen nur Zeit, es wird sich nach und nach in das Ungewohnte finden.


Quelle:
Eduard von Bauernfeld: Ausgewählte Werke in vier Bänden. Band 1, Leipzig [o.J.], S. 340-341.
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