Vierter Auftritt

[318] Vorige. Hubert, dann Baron Wildenhain und der Justitiär.


HUBERT. Herr Baldinger, der Justitiarius steht draußen mit einer großen Urkunde. Heimlich. Das Gerücht hat sich schon verbreitet, daß Ihr der Herr des Schlosses seid.

BALDINGER. Das heißt: Du hast geplaudert?

HUBERT. Die Industrie macht aus ihrem Reichthum kein Geheimniß. – Die andern Werkführer, Gewerke und Bergleute ließen sich nicht abhalten, herauf zu kommen. Alle jubelten laut, als sie erfuhren – doch da sind sie schon. Baron Wildenhain, der Justitiär, mehrere Arbeiter und Bergleute treten auf.

WILDENHAIN. Nun, Justitiär! Handelt Euer Amt!

JUSTITIÄR. Mit hochfreiherrlicher Gnaden Erlaubniß – Halblaut, bittend. Ist's denn nicht mehr zu ändern?

WILDENHAIN gleichfalls halblaut, aber herrisch. Nein, ich will es so.

JUSTITIÄR im Amtston. So frage ich denn als Justitiär der Herrschaft: Sind Sie, Herr Karl Isidor Freiherr von Wildenhain, Hochwohlgeboren, annoch gesinnt, gegenwärtigem Herrn Franz Baldinger Ihre Standesherrschaft Wildenhain zu dem stipulirten Preis käuflich zu überlassen?

WILDENHAIN. Ja.

JUSTITIÄR. Und Sie, Herr Franz Baldinger, besagte Standesherrschaft zu dem stipulirten Preis als Käufer zu übernehmen?

BALDINGER. Ja.

JUSTITIÄR. So reichen sich denn der hochwohlgeborene Herr Verkäufer und der Herr Käufer zum Zeichen des Vertragsabschlusses die Hände – Es geschieht. trinken sich, nach alter Sitte, aus diesem gemeinschaftlichen Becher zu – Ein Diener mit einem Becher tritt vor, der Baron trinkt, dann Baldinger. Der Justitiär fährt fort. und unterfertigen gegenseitig vorliegenden Kaufbrief. Da der Baron unterschreiben will, im natürlichen Ton. Halt! Euer hochfreiherrliche Gnaden –

WILDENHAIN gebieterisch. Justitiär! Er unterschreibt, wie auch Baldinger.

JUSTITIÄR fährt fort, im Amtston. Herr Franz Baldinger, Sie sind von dieser Stunde Herr von und zu Wildenhain. Hier ist einstweilen die Tax-Note.

HUBERT. Vivat, Herr Baldinger![318]

DIE ARBEITER. Vivat!

BALDINGER. Meine Freunde! Unser Besitz hat sich vermehrt, und mit ihm unsere Arbeit. Wir sind Industrielle, das heißt: strebsame, thätige, schaffende Menschen; wir schaffen mit Hand und Kopf, mit Geist und Körperkraft, mit Gedanken und Maschinen.

HUBERT dazwischen zu den Arbeitern. Maschinen – hört Ihr's? Das geht auf mich.

BALDINGER. Denn das ist das Streben der Industrie, daß sie den ganzen Menschen in Anspruch nimmt, und die Einzelnen zu einem großen Ganzen verbindet; Kunst, Wissenschaft, Leben – nichts ist ihr fremd; sie dient der Kunst, sie macht die Wissenschaft lebendig, sie fördert das Leben. Und so weckt und bildet sie den Sinn für die Gemeinschaft, für das Oeffentliche, ja, daß ich das Höchste nenne: Für das Vaterland. Die wahrhaft Industriellen unsers Landes fühlen sich als Genossen, als Glieder eines Ganzen, als Bürger, als Deutsche. In diesem Sinne wollen wir leben und handeln. Eure Hand, meine Freunde, und – Glück auf!

DIE ARBEITER indem sie ihm die Hand reichen. Glück auf! Glück auf!

JUSTITIÄR für sich, kopfschüttelnd. Dubios, höchst dubios! Und gar nicht nobel! Da ihm Welting eine Prise reicht. Obligirt.

HUBERT. Glück auf! Hoch die Industrie! Und vor Allem – das edle Maschinen-Wesen! Es lebe die Maschine, die uns mit Windesschnelle in fremde Länder trägt, durch's weite Meer, ja, in die freien Lüfte! Die für den Menschen arbeitet, wenn er ihr vorgearbeitet, die des Einzelnen Kräfte schont, ersetzt, vertausendfacht! Darum Heil der kunstreichen Mechanik, vor Allem aber der göttlichen Mathematik! Sie ist die Mutter aller großen Gedanken – d'rum verstehen auch die Weiber nichts davon – wie meine Liebste, die Gertrud, die mir vor dreißig Jahren davon gelaufen – blos aus Mangel an Mathematik und Berechnung. Ihr lacht? Na, ich weiß, Ihr seid wackere Leute, habt Weib und Kind – wer ein Weib hat, kann nicht noch obendrein Gedanken haben. Aber der Herr und ich sind ledig, bleiben ledig; wir wollen für Euch denken. Punktum. Und nun – Er geht ans Fenster, und winkt hinab.

BALDINGER. Was machst Du, Hubert?

HUBERT legt den Finger an den Mund. Horcht! Man hört von unten pochen und hämmern.

BALDINGER. Was ist das?

HUBERT halblaut. Ich lasse das Wappen vom Thor herunter schlagen und Eure Devise hinauf setzen, da Ihr nun der Herr seid.

BALDINGER rasch. Laß das, Hubert – Er winkt hinab, das Pochen hört auf.

JUSTITIÄR wie oben, kopfschüttelnd. Dubios!

HUBERT. Hab' ich's nicht recht gemacht? Nun, wie Ihr wollt, Herr, wie Ihr wollt.

BALDINGER. Lebt wohl, meine Freunde! Hubert, laß Wein und Essen in den Schloßhof bringen. Zu den Arbeitern. Lebt wohl! lebt wohl! Die Arbeiter gehen ab.

JUSTITIÄR. Hochfreiherrliche Gnaden –

WILDENHAIN der in Gedanken an einem Pfeiler lehnt, reicht ihm die Hand zum Kuß.

JUSTITIÄR. Sechs und dreißig Jahre hab' ich Dero hohem Hause gedient – Da ihm Wildenhain bedeutet zu schweigen. empfehle mich unterthänigst. Im Abgehen, gerührt. Dubios! Dubios! Kurios! Baldinger bedeutet Hubert, dem Justitiär zu folgen. Hubert und der Justitiär gehen ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 318-319.
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