Erster Auftritt.

[47] Amalie und Schmerl sitzen am Tische links und spielen Karten.


AMALIE. Sie haben gestochen, Herr Schmerl. Sie spielen aus.

SCHMERL der die Karten ungeschickt hält. Ich spiele aus – ein Dings da – ein Aß.

AMALIE. Ich gebe zu.

SCHMERL. Sie geben zu. Läßt die Hand mit den Karten auf den Tisch sinken. Ich gebe auch zu – daß Sie eine charmante Frau sind.

AMALIE verweisend. Herr Schmerl! – Es ist an Ihnen.

SCHMERL nimmt die Karten wieder auf. An mir? – Mir fehlt eine Karte –

AMALIE. Sie sind überhaupt nicht beim Spiel. Nun haben Sie vergeben.[47]

SCHMERL. Vergeben Sie – das Piket ist ein äußerst schwieriges Spiel.

AMALIE. Ich will aufs Neue mischen und ausgeben. Heben Sie ab. Gibt Karten.

SCHMERL. Wie hübsch Sie das machen, Madame Blase-Walter!

AMALIE. Haben Sie jetzt alle Karten?

SCHMERL nimmt eine Karte nach der andern auf. Ich glaube wohl. Läßt die Karten wieder sinken. Sagen Sie mir aufrichtig, Amalie, erinnern Sie sich denn noch bisweilen unserer Jugendzeit?

AMALIE. Ganz dunkel. Kaufen Sie.

SCHMERL. Gleich, gleich! – Wissen Sie noch, wie wir uns kennen lernten?

AMALIE zupft an den Karten. Es war unter den Linden –

SCHMERL. Im Wonnemonat, im Mai – wo die Bäume blühen – sogar in Berlin. Sie waren freundlich mit mir –

AMALIE. Das bin ich immer – gegen Jedermann –

SCHMERL. Ich hielt mich für eine Ausnahme – ich war der einzige Mann, der in's Haus kam –

AMALIE immer mit den Karten beschäftigt. Blase war auf einer kleinen Zwischenreise begriffen – sein Verhältniß zu mir blieb damals noch geheim –

SCHMERL. Für mich wenigstens – ich merkte nichts, kam immer mehr in's Zeug –

AMALIE. Haben Sie gekauft?

SCHMERL legt die Karten ganz weg, lehnt sich über den Tisch, zu ihr. Ich warb um Sie, und – – ich habe mich damals wohl recht blamirt – wie?

AMALIE. Warum? Ich war verlobt – Sie konnten das nicht wissen.

SCHMERL. Verlobt! Leider, leider! – Arme Frau! Sie hatten Kummer in Ihrer Ehe – ich weiß das von Ihrem Schwager – aber ein Mann, der Sie quälen konnte, ist in meinen Augen ein – Dings da –

AMALIE. Keine Beschuldigung gegen meinen Gatten, Herr Schmerl!

SCHMERL. Ich sage ja kein Wort – ich denke nur an jenes schöne, entschwundene Zeit. Ach, die Jugenderinnerungen sind doch das Beste, was Einer hat!

AMALIE. Die Jugend ist noch besser.[48]

SCHMERL. Freilich, freilich! Wenn man da capo von vorne anfangen könnte! Zwanzig Jahre zurück und die Erfahrung dazu –

AMALIE. Man würde das Nämliche erfahren.

SCHMERL. Wohl möglich! Die Menschen kommen mir vor, wie der – Dings da – der Epimetheus, der auch immer erst hinterher klug war. Aber ich dächte doch, wenn ich noch ein Mal mit Ihnen unter den Linden säße – Will ihre Hand ergreifen.

AMALIE gibt ihm die Karten in die Hand. So würden wir unsere Parthie ausspielen.

SCHMERL. Die fatalen Karten!

AMALIE. Sagen Sie Ihr Spiel an, Herr Schmerl.

SCHMERL. In's Himmels Namen! – Ich hab' vier – fünf Herzen.

AMALIE. Die gelten Alle nichts.

SCHMERL. Oho!

AMALIE. Was haben Sie noch?

SCHMERL. Nichts. Drei Dinger da – drei Könige.

AMALIE. Ich schlage Ihre Könige.

SCHMERL. Meinetwegen! Ergreift ihre Hand mit den Karten. Amalie! Wenn es sich anders gefügt hätte! Wenn ich Ihr Mann geworden wäre, statt des Herrn – Dings da – Wir säßen uns vielleicht auch traulich gegenüber, wie eben jetzt – aber nicht einzeln, sondern verbunden –

AMALIE. Herr Schmerl –

SCHMERL hält immer ihre Hand, während einzelne Karten nach und nach unter den Tisch fallen. Herr Schmerl! Steht auf und lehnt sich hinüber. Wie kalt das klingt, wie fremd! Dann hieß' es: »Lieber Schmerl! Mein lieber Schmerl! Lieber Mann!« – Ich hielte Ihre Hand in der meinen – wie jetzt – aber Sie zuckten nicht dabei; ich würde Sie auf den Händen tragen, und Sie schenkten mir vielleicht –


Quelle:
Der deutsche Michel, Revolutionskomödien der Achtundvierziger. Stuttgart 1971, S. 47-49.
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