Siebenter Auftritt.

[114] Vorige, ohne Cherubin.


FIGARO sich von rechts heranschleichend. Ich muß dazwischen treten.

GRAF der Cherubin noch anwesend glaubt. Einen Kuß wolltest du? Da hast du einen! Holt aus, trifft Figaro.

FIGARO. Au!

GRAF. Soll ich das Dutzend voll machen?

FIGARO sich die Wange reibend und wieder in sein Versteck schleichend. Das Horchen hat doch auch seine schlimme Seite.

SUSANNE lacht in ihrem Versteck links, laut auf. Hahaha!

GRAF der Gräfin sich nähernd, die er für Susannen hält. Hast du einen Begriff von diesem nichtsnutzigen Pagen? Er empfängt von mir eine schallende Ohrfeige und läuft laut lachend fort!

FIGARO für sich. Ihm hat die Ohrfeige freilich nicht weh gethan.[114]

GRAF zur Gräfin. Lassen wir indeß den Jungen laufen! Seine Kindereien sollen unser Dämmerstündchen nicht verderben.

GRÄFIN Susannen in Stimme und Sprache nachahmend. Wenn ich nun nicht gekommen wäre?

GRAF. War das möglich, nach deinem allerliebsten Briefchen? Ihre Hand ergreifend. Du zitterst?

GRÄFIN. Mir ist so Angst.

GRAF. Bei mir, Närrchen? Er küßt sie.

GRÄFIN. Gnäd'ger Herr!

FIGARO für sich. Kuß Numero Zwei!

SUSANNE für sich. Bravissimo!

GRAF die Hand der Gräfin nehmend. Laß mir doch deine feine, süße Hand. Auf mein Wort, sie ist schöner als die der Gräfin.

GRÄFIN in ihrem eigenen Tone, aber leise. Was die Einbildung nicht thut!

GRAF. Und dieser runde, reizende Arm. Ach, wenn den meine Frau hätte!

GRÄFIN in Susannens Ton. Lieben Sie sie denn gar nicht mehr?

GRAF. Warum nicht? Ich liebe sie wie man eine Frau liebt, mit der man Jahr und Tag verheirathet ist.

GRÄFIN. Was vermissen Sie bei ihr?

GRAF sie auf's neue umfassend. Was ich bei dir finde!

GRÄFIN. Das heißt?

GRAF. Ein gewisses Etwas, einen Reiz, eine Würze .... was weiß ich? Siehst du, mein Kind, unsere Frauen glauben genug zu thun, wenn sie uns lieben. Sie lieben uns, – gesetzt, daß sie uns lieben, – in Einem fort, ohne Unterlaß, ohne Veränderung, bis der Mann seines Glückes satt wird und ein wenig Schatten bei so vielem Licht begehrt.

GRÄFIN in ihrem eigenen Ton. Die Lehre merk' ich mir.

GRAF. Ihre Pflicht wäre es, unsern Geschmack zu studiren und den dauernden Besitz durch einen Wechsel im Genuß zu erhöhen. Wir werben um sie, wir erwerben sie; daß sie uns festhalten, ist ihre Sache. Dies vergessen sie nur zu oft.

GRÄFIN. Ich gewiß nicht!

GRAF. Ich auch nicht![115]

FIGARO halblaut. Ich auch nicht!

SUSANNE halblaut. Ich auch nicht!

GRAF. Hier giebt's ein Echo. Reden wir leiser. Er umschlingt sie. Dich gehen alle diese guten Lehren nichts an. Mit deinen pikanten Launen, deiner Lebendigkeit wirst du mich ewig fesseln. Er zieht eine volle Börse und ein kleines Etui hervor. Susanne! Ein spanischer Edelmann hält immer Wort. Hier ist das Gold, mit dem ich das gewisse Recht mir erkaufen wollte, das du in dieser süßen Stunde mir schenkst. Und da es unbezahlbar ist, laß mich diesen Edelstein hinzufügen, den du zum Andenken an mich tragen wirst.

GRÄFIN Börse und Etui einsteckend, mit tiefer Reverenz. Susanne nimmt Alles dankbar an.

FIGARO für sich. Natürlich – Alles!

SUSANNE für sich. Das ist ehrlich verdientes Geld.

GRAF. Sie nimmt Geschenke an? Um so besser!

GRÄFIN nach dem Hintergrunde sehend. Dort nahen Fackeln!

GRAF. Dein Hochzeitszug. Treten wir, um ihn vorüber zu lassen, in diesen Pavillon. Nach rechts deutend.

GRÄFIN. Ohne Licht?

GRAF sie sanft fortziehend. Wir lesen ja nicht.

FIGARO für sich, in äußerster Unruhe. Ich glaube wahrlich, sie geht. Er tritt hervor und räuspert sich.

GRAF sehr laut. Wer da?!

FIGARO noch lauter. Gut Freund!

GRAF. Es ist Figaro! Er eilt im Hintergrunde ab.

GRÄFIN. Ich komme nach! Sie schlüpft in den Pavillon rechts.


Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 114-116.
Lizenz:
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Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag
Die Figaro-Trilogie: Der Barbier von Sevilla oder Die nutzlose Vorsicht / Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit / Ein zweiter Tartuffe oder Die Schuld der Mutter

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