687. Das Heidengrab auf dem Suatabor

[455] Ohnweit der Stadt Schüttenhofen im Prachiner Kreise erhebt sich der Suatabor, ein hoher Berg mit einem Heilquell und einem umfriedeten Raum, der wird das Heidengrab genannt. Unten rollt das Flüßchen Wottawa seine Wellen der Moldau zu und führt Gold und gute Perlen in seinem Sande; diese machten vorzeiten die Einwohner von Schüttenhofen reich, welches schon im Jahre 790 erbaut worden sein will. Als die Mugeln (Mongolen, Tataren) in das Land fielen, verriet ihnen der Umwohner Neid und Bosheit Schüttenhofens Reichtum, und ein Heerhaufen derselben zog alsbald heran, sich aller Schätze zu bemächtigen. Wie groß aber dazumal auch die Furcht und der Schrecken waren und förmlich entmannend wirkten, so erhob sich doch ein Tapferer, sammelte um sich her eine mutige Schar, legte sich am Suatabor in einen Hinterhalt und begrüßte dermaßen herzhaft den Mugelnhaufen, daß nichts übrigblieb, als alle Erschlagenen zu begraben. Entronnen war keiner. Da ließ der Held die Heiden in eine Grube werfen und türmte ihnen den Hügel auf. Die Sage geht, daß sich dieses Heidengrab alle Jahre dem Heilbrunnen um eine Daumensbreite nähere; wann es dem Quellbrunnen ganz nahe sein wird, wird im Königreiche Böhmen eine große weitumgreifende Veränderung vor sich gehen.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 455.
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