933. Verzettelte Kohlen

[602] Bei Geislingen hart am Fuß der Rauhen Alb gab es in den Bergen auch viele Erdwichtele, von denen haben die Geislinger gelernt, die gar feinen und künstlichen Elfenbeinarbeiten zu fertigen, die dort so billig wie in Berchtesgaden feilgeboten werden. Einst kam so ein Erdmännele[602] zu einer Geislinger Hebamme und rief sie zum Mitgehen zu seiner Frau, die wollte aber nicht gehen ohne Begleitung ihres eigenen Mannes, denn sie traute dem ledernen Männdle nicht so ganz. Dieses selbiges war die Bedingung auch zufrieden und leuchtete voran; es ging in einen Berg mit schönen unterirdischen Gemächern, und ging auch drinnen alles gut und glücklich vonstatten und war baldigst wieder ein ledernes Männdle mehr auf der Welt, wenigstens in der Unterwelt. Statt aller andern Gaben gab das alte Erdemännle der Hebamme einen ganzen Haufen Kohlen, die mußte sie in ihre Schürze fassen, dachte aber dabei voll Ärgers: Ei daß du verschwarze mieschtest, du wüeschtes Männdle du, wenn i weitersch nix habe soll. – Unterwegs, da das Erdemännle wieder vorleuchtete, warf die Hebamme eine Kohle nach der andern heimlich aus der Schürze; das Erdmännchen merkte das wohl, kehrte sich um und sprach ernst:


Je mehr du verzettelescht,

Je mehr du hernach bettelescht. –


Als das Männchen mit Dank von dem Ehepaar geschieden war, wollte die Hebamme gar ihre Kohlen alle hinschütten, ihr Mann litt es aber nicht, sondern sagte:


Behalt, was de hascht,

Es is ja kei Lascht. –


Da behielt die Frau die Kohlen, und wie sie heimkamen, waren es eitel Goldstücke. Jetzt reuete der Frau nun ihr dummes Wegwerfen, sie nahm selbst eine Laterne und rannte zurück und suchte, was sie suchen konnte, und hätte gar zu gern die Kohlen wiedergefunden, aber damit war es vorbei, und die stille Bitte, die sie an die Erdwichtele richtete, ihr doch nochmals die verzettelten Kohlen zu bescheren, blieb gänzlich unerfüllt.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 602-603.
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