Zweite Scene.

[342] Vorige. Graf Struensee. Graf Brandt.


MATHILDE.

Sieh' da! Die Grafen Struensee und Brandt.


Zum Grafen Struensee.


Ihr kommt zur rechten Zeit, Graf Struensee,

Mich zu erlösen von gehäss'ger Pflicht.

Vertheid'gen muß ich gegen meine Damen

Der Dichter heil'ge Rechte. Unser Shakspeare

Kann keine Gnade finden vor den Augen

Der Gräfin Uhlfeld.

GRÄFIN UHLFELD.

Eure Majestät, –

MATHILDE zu Struensee.

Wär' mir's genehm, den Streit noch fortzusetzen,

Euch, Graf, erwählt' ich zu des Dichters Ritter.

Vor Allen würdig wär't ihr, eine Lanze

Für seinen Ruhm zu brechen; denn euch dank' ich's,

Daß ich den Werth des Herrlichen erkannt.

Ihr lehrtet mich die süße Melodie

Des wildbewegten Stroms versteh'n, und müde

Von manchen Lebenstürmen, wiegt die Seele[342]

Sich still besänft'gend auf den edlen Wellen

Der ernsten Harmonie.


Lächelnd.


Doch schon zu viel.

Die Gräfin kann ein Lächeln kaum verbergen.

Sie fürchtet, endlich mache mich der Dichter

Wohl gar zur Dichterin; die Sünde wäre

So neu für eine Kön'gin Dänmarks, daß ich,

So furchtbaren Verdachts mich zu entladen,

Von Würd'gerem zu reden denke.


Zum Grafen Brandt.


Graf!

Wie ließet ihr den König? Sind wir nicht,

Befürchten muß ich's, Seiner Majestät

Zu schnell vorausgeeilt? Gern gesteh' ich's

Zum Ruhme Englands – dieses brit'sche Roß,

Das mir mein königlicher Bruder sandte,

Hat Dänmarks beste Renner überflügelt.

Mit männlicher Begier den alten Ruhm

Der Dänenrosse zu behaupten, wagte

Von allen unsern Cavalieren nur

Sich Graf von Struensee in unsre Nähe.

Und selbst der kühne Ritter mußte endlich

Weit hinter uns das stolze Wagniß büßen.

STRUENSEE.

Mir ward gerechter Lohn für meine Kühnheit.

MATHILDE.

Sie ziemt dem Manne. –[343]

BRANDT.

Der Monarch gestand

Die besten Renner seines Landes besiegt!

Er pries mit Heiterkeit den seltnen Muth,

Den Eure Majestät gezeigt. Seit langer Zeit

Sah ich den König nicht so froh geschäftig.

Die Festlichkeiten dieser Woche scheinen

Besonders seinen Wünschen zu entsprechen.

Auf morgen ist der Maskenball des Hofes

Bestimmt.

MATHILDE.

So kommt der König sehr gefällig

Auch meinem Wunsch entgegen. Laßt uns, Graf,

Dies schöne Fest mit seltnem Glanze feiern.

Ich mag es wohl, wenn in dem Maskenscherz

Das eitle Band der Etiquette sinkt.

Seid so erfind'risch, als ihr wollt; und seid's

Mit Pracht und Glanz, ich werde freudig

Den Uebermuth der bunten Laune loben,

Und mitgenießend, denk' ich, werden endlich

Sich auch die Damen unsres Hofs gewöhnen,

Den fesselnden Gebrauch mit heit'ren Sitten

Mit jungem Scherz den alten Zwang zu tauschen.


Zur Gräfin Uhlfeld.


Und dachtet ihr nicht, Gräfin, morgen schon

Mir zur Audienz den Cavalier zu führen,

Den mir die Kaiserin von Rußland selbst

Und dringend, sagtet ihr, empfahl?[344]

GRÄFIN UHLFELD.

Ich dacht' es,

Wenn Eure Majestät es ihm gestatten.

MATHILDE.

Er soll bei unserm Feste sein und soll

Die kaiserliche Pracht, die er verließ,

In unsern königlichen Hallen finden.

Nicht wahr, Graf Struensee, wir dürfen uns

Den bill'gen Wunsch erlauben, daß der Fremde

Der Kaiserin berichte, wie er hier,

Dank sei es euch, im Königshause Dänmarks,

Bei weiser Mäßigung und Sparsamkeit,

Des edlen Hofes würd'ge Pracht gefunden?

STRUENSEE.

Der Glanz, der meine Königin umgiebt,

Ist unentbehrlich, ist die edle Fassung

Der schönsten Perle dieses Königreichs.

MATHILDE ihn fixirend.

Meint ihr?


Halblaut zu Struensee.


Und dennoch widerspricht der Ton den Worten.

STRUENSEE.

Sollt' ich – –?

MATHILDE zur Gräfin Uhlfeld.

Ich bitte, Gräfin, meine Stickerei.


Gräfin Uhlfeld ab.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 342-345.
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