Zweite Scene.

[482] Schack. Köller. Guldberg. Juliane. Mehrere Räthe.


JULIANE.

Ha! endlich!

Hat das Gericht entschieden? Was verhängt es

Ueber den Hochverräther Struensee?

SCHACK.

Den Tod durch Henkers Hand. Das Urtheil ist

Bereits dem Grafen ...

JULIANE.

Er hat aufgehört,

Ein Graf zu sein! Entadelt ihn und nennt ihn,

Wie sich's gebührt.

SCHACK.

Dem Struensee wird eben

Sein Urtheil kund gethan; es zu vollziehen,

Erwarten wir des Königes Bestät'gung.[482]

JULIANE.

Die muß sogleich erfolgen; wenn sie aber

Erfolgt ist, laßt das Urtheil ungesäumt

Vollzieh'n! Ich sage ungesäumt, – wir dürfen

Nicht einem schwächlichen Gefühl der Reue

Kaum lassen in des Königs Brust. Die Sonne

Des nächsten Morgens darf den Struensee

Nicht unter den Lebendigen mehr schauen.

Wo ist Graf Ranzau?

KÖLLER.

Seit bekannt geworden,

Welch Urtheil über Struensee verhängt ist,

Hab' ich den Grafen überall vergeblich

Zu suchen mich bemüht.

JULIANE.

Ich muß ihn tadeln.

Hier war sein Platz in diesem Augenblick.

Es war an ihm, zur Unterschrift dem Kön'ge

Das Urtheil vorzulegen. Warum ist er

Nicht hier?


Zu Schack.


So geht ihr Augenblicks zum Kön'ge

Und laßt das Urtheil – –

SCHACK.

Königin, nicht mich

Erwählt zu diesem wicht'gen Amt. Wenn plötzlich

Dem Könige ein Blick auf dieses Blatt[483]

Besinnung lehrte, Zweifel – nein – ich fühle –

Nicht Kraft in mir –

JULIANE ihm das Urtheil entreißend, zu Köller.

Nehmt ihr's!

KÖLLER.

Verschont mich, Königin, ich bin

Zu diesem Dienst nicht tauglich. Stellt mich hin,

Wo was zu wagen ist, – zum Ueberreden

Ist mir das Schwert nicht nütz, – da gilt die Zunge,

Das ist nicht meine Waffe.

JULIANE zu einem neben ihr stehenden Rathe.

So nehmt ihr!


Da dieser sich verneinend abwendet, zu den Andern.


Will's Keiner wagen? Keiner?


Alle schweigen.


So will ich's.

Kleinmüth'ge Seelen! kann mein Sohn, der König,

Die kleine Bitte seiner Mutter weigern,

Den Namen Christian unter dieses Blatt

Zu setzen? Folgt mir, Guldberg, und ihr Alle jubelt,

Der Feind des Landes, Struensee, ist todt.


Ab, die Uebrigen nach andern Seiten.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 482-484.
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