Fünfter Auftritt.

[133] Vorige, Frau Greiner d.d.M.


FR. GREINER. Guten Abend, mein Fräulein. Spitz und höhnisch. Ah so, ich störe.

CONSTANZE verlegen. Dieser Herr –

FR. GREINER immer spitz. Bitte, mein Fräulein, das geht mich ja gar nichts an. Ich glaubte Sie zwar allein, da der Herr Vormund auf der Wache ist und der Herr Bruder verreist –

CONSTANZE. Ich sage Ihnen, dieser Herr –

FR. GREINER. Lassen Sie doch, Fräulein, was kümmert das mich. Ich wollte Ihnen nur melden daß drei entsprungene Verbrecher in mein Haus gedrungen sind und daß das ganze Haus nach ihnen durchsucht wird. Man hat im obersten Stockwerk angefangen und wird auch bald zu Ihnen kommen. Sie sind jetzt vorbereitet, also erschrecken Sie nicht. Wünsche viel Vergnügen und gute Unterhaltung.

CONSTANZE. Frau Greiner, Sie sagen das in einem so spitzen Tone –

FR. GREINER. Bitte mein Fräulein, gar nicht spitz, mich kümmert ja nicht was Sie thun. –

CONSTANZE. Es muß Ihnen allerdings auffallen mich in so später Stunde allein mit einem jungen Manne zu treffen –

FR. GREINER. O gar nicht, ganz und gar nicht!

CONSTANZE verlegen. Ich möchte mich keiner Mißdeutung aussetzen, dieser Herr – kommt von meinem Vormunde.

FR. GREINER. Ah so, vom Herrn Vormunde.

CONSTANZE. Ja, mein Vormund läßt mir sagen: er müsse die ganze Nacht auf der Wache bleiben, er brauche aber morgen in aller Frühe mehrere Papiere, die ich diesem Herrn einhändigen soll. –[134]

FR. GREINER. Ah so – ich wußte wohl – Sie sind auch im Irrthum, wenn Sie glauben ich sei spitzig gewesen.

CONSTANZE. Sie kennen nun den Zusammenhang und werden nichts Uebles denken.

FR. GREINER. Ganz und gar nicht, Fräulein, ich hätte auch ohnehin nichts Uebles gedacht. Na erschrecken Sie nicht wenn der Hauptmann von der Bürgerwehr kommt, es ist ein freundlicher Mann. Schlafen Sie recht wohl. Ab.

MORITZ. Hu das ist eine böse Zunge, Ihre Frau Hauswirthin!

CONSTANZE schmollend. In welche Verlegenheit bin ich gekommen, ich mußte lügen, Ihretwegen lügen. Ich habe noch niemals gelogen.

MORITZ. Sie zürnen mir?

CONSTANZE. Habe ich nicht Ursache?

MORITZ. Ja, Sie haben Ursache. Wohlan, lassen Sie uns fort; besser man verhaftet uns, als daß Sie weiter belästigt werden.

CONSTANZE tritt ihm in den Weg. Was wollen Sie? Man wird Sie in's Gefängniß bringen, Sie verurtheilen!

MORITZ. Ach ja, und im Gefängnisse werde ich Sie nicht sehen, lange nicht sehen!

CONSTANZE. So bleiben Sie doch!

MORITZ. Aber wenn man kommt und Sie nach uns fragt, werden Sie –

CONSTANZE seufzend. Noch mehr lügen müssen? Schmollend. Verdienen Sie wol daß ich mein Gewissen um Ihretwillen mit einer Sünde belaste?

MORITZ warm. Nein, liebes, liebes Fräulein, aber ich will mir Mühe geben es zu verdienen.

CONSTANZE schelmisch. Daß ich lüge?

MORITZ. Nein, daß Sie es um meinetwillen thun.


Quelle:
Roderich Benedix: Haustheater. Leipzig 21865, S. 133-135.
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