Zweite Scene

[35] Der Kaiser. Alessandro.


KAISER im Hauskleid, blaß und trübe. Du schon hier, mein weiser Ales?[35]

ALESSANDRO erhebt sich. Noch hier, mein Herr und Kaiser. Ich mußte diese Nacht in Deiner Nähe die Sterne belauschen, wenn ich Dir die versprochene Berechnung liefern sollte.

KAISER. Bleib' an Deinem Platze, Alter! Alessandro setzt sich, und fährt fort in seiner Berechnung, der Kaiser öffnet das Fenster. Die Morgenluft weht scharf, doch sie erquickt. Da liegt das freie Frankfurt dämmrig um mich her, das ist ein Anker, denk' ich, der mir halten soll in jeder Noth.

ALESSANDRO. Frankfurt ist treu; Du magst immer bauen auf die kühnen Bürger.

KAISER am Fenster lehnend. Wenn Du das sagst, kann ich es glauben, Meister; denn selten ist dieß Wort in Deinem Munde.

ALESSANDRO. Weil ich es niemals an Unwürdige verschwende.

KAISER abbrechend. Wie ist's, Freund Ales, was hast Du in dieser langen Nacht entdeckt?

ALESSANDRO. Des Guten wenig, kaiserlicher Held, doch Neues[36] nicht, noch Unerwartetes. – Dir droht ein schweres Unheil, wend' es ab!

KAISER. Wie kann ich? Alles Unheil, das mich trifft, es kommt von Gerhards Hand, des Unversöhnlichen.

ALESSANDRO. Versöhn' ihn Dir, er ist ein fürchterlicher Gegner, und seine Macht ist größer, als die Deine, weil er das Verbrechen zum Bundsgenossen wählte.

KAISER. Der Abtrünnige! Der Eidbrüchige! Er ist für mich auf immer verloren, ist unwiederbringlich dahin. Darf ich gewähren, was seine Habsucht heischt, was sein Stolz fordert? Darf ich das deutsche Reich zerstückeln, um seiner nie zu befriedigenden Ländergier zu fröhnen? Nein, es ist keine Versöhnung mehr denkbar zwischen ihm und mir. – Wir kämpfen auf Tod und Leben! Ich mit den Waffen des Rechts in offener Fehde, er mit denen des Trugs, und auf jedem krummen Wege, selbst auf dem des Verraths und des Mords – der über uns entscheide, ich stehe in seiner Hand, und fürchte nichts.

ALESSANDRO. Fürchtest Du auch nicht die Schlange, die Du sorglos im Busen nährst? Von Freundes Hand droht Dir das nächste Unheil. Höre mich, Kaiser! banne den Günther von Nollingen aus Deiner Nähe.[37]

KAISER. An meiner Seite wuchs er auf, ein unbefangener Knabe, als noch fern von meiner Seele die Ahnung lag, daß mich der Herr erlesen, einst den Kaiser-Thron zu besteigen – und damals hing er schon an mir mit fester Liebe; was zog ihn anders zu dem armen Grafen von Rassau, als sein Herz? Als Mann blieb er derselbe. Zweimal rettete ich ihm das Leben, und das Band der Freundschaft schlang sich fester um unsere Herzen. – Jetzt bin ich Kaiser; soll ich den Jugendfreund verstoßen, weil mich das Schicksal also hoch gestellt?

ALESSANDRO. Weil ihn sein böses Trachten also tief erniedrigt, deßhalb sollst Du ihn bannen aus Deiner Nähe. War er nicht auch des Gerhards Jugendfreund? Hast Du die Plane seines Ehrgeizes je befriedigt? Denkst Du, dem Uebermüthigen genüge Deine Freundschaft? Nollingen küßt die Feindeshand, die ihm den Kurhut auf die Schläfe drückt – und lähmt, wenn er's vermag, den Arm des Freundes, der seinem Stolze nicht Genüge leistet.

KAISER. Nein, sag' ich, nein, und tausendmal nein! Günther kann mich nicht verrathen. Er hat in blutigen Schlachten neben mir gekämpft. Wie oft stand es in seiner Hand, meine Gegner mit einem Streiche von ihrem Feinde zu befreien. – Nein, in seiner treuen Brust schlägt nimmer das Herz eines Verräthers.[38]

ALESSANDRO. Denk' zurück, o Kaiser! Wer bewog Dich zur Trennung von Imagina, Deiner Gattin? mit ihr, der Stolzen, fielen die Herzoge von Baiern und Schwaben von Dir ab; wer überredete Dich zum Kauf der Thüring'schen Erblande, um die der unglückselige Krieg noch immer Deine Staaten zerfleischt? Günther von Nollingen war es, dessen Rathschläge Du befolgtest. Dein Thron wankt, seit Du ihm allein vertraust! Doch – Du bist Herr, Dein Wille ist Gesetz – ich folgte meiner Pflicht, ich warnte Dich – sey auf der Huth.


Man hört von Außen die Stimme des Ritters Schelm vom Berge.


KAISER horcht nach der Thüre. Ist das nicht das ungeduldige Murren des wackern Schelm vom Berge? Ruft. Herein, mein alter Waffenbruder, was stehst Du draußen, und schmählst?


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 35-39.
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