Zweite Scene

[64] Humery. Vorige.


HUMERY tritt auf, will über die Bühne schreiten, bleibt stehen, und sieht mit Staunen die Gruppe im Vorgrund.

BERTHA ohne ihn zu bemerken, sinkt auf die Knie. O, Gott und Vater dort, der meinen Irrwahn also väterlich gelöst, schau gnädig auf den armen Mann hernieder, dem nichts geblieben als das Fleckchen Erde, auf dem du ihm tröstenden Schlaf gesendet, und das heilige Bibelbuch zum Kissen seines müden Hauptes! Erquicke seine matten Glieder, laß ihn nicht ganz versinken, der dich so innig liebt, erhöre deine weinende Magd, daß sie an deiner Gnade deine Vergebung erkenne! Sie neigt das Haupt auf die Brust und betet still.


[64] Lorenz hat gleich, als sie sich niederließ, das Haupt entblößt, hält das Barett in der Hand, und betet mit.


HUMERY tritt weiter vor. Herr meines Lebens, er ist es!

BERTHA springt rasch auf. O, stille, lieber Herr, wer Ihr auch seid, habt Mitleid mit einem armen Wanderer, der sanft hier schlummert nach langen Kampfes Mühen! –

HUMERY faltet die Hände, tief erschüttert. Ein armer Wanderer, dem nichts geblieben, als die Erde, worauf er schlummert, das Bibelbuch, das er gedruckt, das Dach des Himmels über seinem Haupte, und der Bettlerstab zu seinen Füßen! – und der dennoch schläft mit lächelndem Gesicht, auf dem Haß und Rachedurst auch nicht eine finstere Falte zog! – Großer Gott! könnte ich die ganze Menschheit zu dieser Stelle führen, daß sie schaamroth sähe, was ich jetzt schauen muß unter heißen Thränen! O, Guttenberg, Du großer Mensch, wie schwer hat Neid und Habsucht an Dir gefrevelt!

BERTHA. Ihr kennt ihn, Ihr kennt den Unglückseligen, den verarmt und verkannt die Vaterstadt verstößt!

HUMERY sich erhebend, laut, so daß Guttenberg erwachend auffährt. Nicht die Vaterstadt ist's, die ihn verbannt, die Macht der Bosheit ist's, ein Feind nur, der im Bunde mit Gold und Arglist seine Ränke spann, und manches helle Auge zu täuschen wußte. – Erhebt Euch, Guttenberg – seid stark und hört mich! kennt Ihr mich?

GUTTENBERG sich von Bertha unterstützt erhebend. Wie sollte ich nicht? Ach, lieber, ehrenwerther Herr, wie oft habt Ihr mich heimgesucht in meiner Werkstatt in bess'ren Tagen, wie oft hab' ich geseufzt nach Euch! ja wäret Ihr zu Mainz gewesen!

HUMERY. Wo der Teufel seine Schlingen legen will, weiß er die Wege zu säubern! Als mich vor vier Monden der hochwichtige Prozeß unsers gnädigsten Kurfürsten nach den Niederlanden führte, da ahnete ich nicht, daß ich Euch [65] so wiederfinden sollte! Auf die Brust schlagend. Nun aber bin ich wieder da, und sie sollen dort drinnen Auf die Stadt deutend. hören, daß der Humery daheim ist. Als ich gestern zurück kam, rief mich meine Pflicht zuerst gen Bieberich, dort erfuhr ich Euer jammervolles Geschick, Viele von dem Hofgesinde schwatzten Allerlei, daß Ihr ein Betrüger und schlechter Zahler, und daß Ihr den Fust um die Ehre der Erfindung bringen wollen! ich aber stand auf und sprach gar deutlich und vernehmlich! – Ich sagte dem gnädigen Fürsten, der allezeit hellen Kopfes war, und das Herz an der rechten Stelle hat, wie es um Euch steht, daß Ihr der Betrogene seid, und daß ich für meine Aussage bürge mit Gut und Ehre, mit Leib und Leben. – Das drang dem edlen Fürsten durch das Herz, und einen Gruß hab' ich für Euch in meiner Tasche, der Euch, denk' ich, freuen soll! – Begeistert. Guttenberg, ein Mainzer steht vor Euch, vertretend Eure Vaterstadt! Die Ehre meiner Mitbürger, die Ehre der gesammten Menschheit will ich retten, die Wahrheit soll siegend in ihre Rechte treten, Ihr sollt Euch erheben von dem Kummer, der Euer Haupt gebeugt, doch nicht zerschmettert. Nehmt meine Hülfe an, mißhandelter Mann, würdigt mich, die Hand zu fassen, die Euch freudig rettet – kehrt um, wendet der Vaterstadt den Rücken nicht; nehmt mein elendes Metall, baut Euch eine neue Presse2, zeigt, wer der Erfinder Eurer großen Kunst ist, und laßt mir die Freude, daß einst die Nachwelt sage: nicht seine Mitbürger, nicht die Vaterstadt, eine Schaar Gottloser nur hat Guttenberg verfolgt, und ein deutscher Mann war's, der ihm den Sieg erkämpfen half.

GUTTENBERG starr vor Freude. Eine neue Presse wollt Ihr mir bauen, ich soll nicht müßig durch's Leben gehen, ich soll mein Werk noch selber fördern zur Vollendung, meine Ehre retten vor den Augen der Menschen, zeigen, daß ich kein elender Betrüger bin? – O, Herr, Freund, Bruder – [66] Er sinkt in seine Arme. nehmt mich auf, erfüllt Euer Wort, Ihr gebt mir zum zweitenmal das Leben – jetzt erst bin ich frei, denn mein Dasein hat seinen Zweck wieder gefunden, mein Ziel ist erreicht!

BERTHA sinkt zu Humery's Füßen. O, edler Mann, könntet Ihr in meine Seele sehen, meine Lippen sind stumm!

LORENZ zugleich. Herr, Gottes Segen über Euch!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Johannes Guttenberg. Berlin 21840, S. 64-67.
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