Siebente Scene

[46] Vorige. Gertrud. Lisbeth aus dem Baumgut, durch die Mitte, in demselben Kostüm, wie früher.


GERTRUD im Auftreten unter der Thür. Aber was will Sie denn mit dem Dorle?

LISBETH. Kann's nur ihr sagen.

GERTRUD ruft. Dorle! Da ist die Lisbeth.

LISBETH finster. Grüß Gott beisammen.

DORE die mit Rose beschäftigt war, wendet sich rasch. Herr Gott! Die Lisbeth.

ROSE befremdet. Die Lisbeth? Steffens Schwester?

LISBETH trotzig. Ja, die Lisbeth! Zu Dore. Gelt, das hättest nicht denkt, Dorle, daß die noch einmal den Fuß über des Sonnwirths Schwell' setzen könnt' – so lang die Hofdam' Mit einem finstern Blick auf Rose. da, sich hier breit macht, die uns Alle in's Elend gebracht hat!

ROSE staunend. Ich! Ich? Was will die Frau von mir?

DORE in peinlicher Angst. Nichts, nichts! Sie will nur mich, nicht so Lisbeth? Zu Gertrude. Mutter, nehmt die Rose mit hinauf! Geh, Rose, ich bitte Dich drum.

ROSE in steigender Bewegung. Ich kann nicht gehen! Mutter, was sagt die Frau? Welches Elend hätte ich über Euch gebracht?

GERTRUD. Ich darf Dir's nicht sagen.

LISBETH. Das solltest Du nicht wissen? Hast Du denn niemals gefragt, warum der Steffen die Dore verlassen hat?

ROSE schreckt zusammen. Er hat sie verlassen?

DORE faßt Lisbeths Arm. Lisbeth!

LISBETH in voller Wuth. Freilich hat er sie verlassen; und um Dich, Du hoffährtige Prinzeß!

ROSE. Um mich? Großer Gott! –

LISBETH. Ja, um Dich hat ihn die Dore zu Grund gerichtet![46]

DORE verletzt. Lisbeth!

LISBETH ohne sich unterbrechen zu lassen. Sie hat's auf dem Gewissen, daß aus dem bravsten Menschen ein wilder Wirthshausläufer worden, daß der Steffen ein verlorener Mann ist, wenn er dem liederlichen Kleeblatt in den Klauen bleibt. Heut früh haben sie ihn, Dir zum Trotz, daher geschleppt, kannst ihn mit der Hand erlangen. Wenn Du ihm nur ein Wort gönnen wolltest, Dorle, Du kannst ihn noch retten – sein Herz ist ja so gut, er kann und kann Dich nicht vergessen! Wenn Du ihn rufen thätst, er kommt!

DORE hatte das Gesicht mit beiden Händen bedeckt.

ROSE in zitternder Angst. Dorothee! Du liebst ihn ja! Rufe ihn!

DORE schwer. Er hat mich verlassen – ich nicht ihn – ich kann's nicht!

GERTRUD. O mein armes Kind!

LISBETH. Nachher ist's vorbei! Ich hab' das Elend lang genug ausgehalten, morgen am Tag zieh ich zum Vetter Metzger in meine neue Haushaltung.

DORE faltet die Hände. Lisbeth, auch Du? – O lieber Gott, hilf Du ihm!

ROSE. Und das Alles wäre um mich? O Mutter, ich fasse es nicht!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 46-47.
Lizenz:
Kategorien: