Letzte Scene

[58] Vorige. Der Graf aus dem Hintergrund.


GRAF der bei der vorletzten Rede vortrat. Schwört immer, Sonnenwirth, Ihr seid in Eurem Recht und seid ein kluger Mann, den ich nur achten kann um solch tapfern Widerstand gegen thörichte Wünsche.

ADOLPH für sich. Mein Oheim!

VEIT verblüfft den Grafen anstarrend. Was giebt's?

DORE UND ROSE. Der Graf!

GERTRUD. Das fehlt noch!

ADOLPH bitter. Also selbst von dem Grabe Ihres Kindes verfolgen Sie mich, bis in diese Berge? Und wissen doch, daß ich auf dem Standpunkt angekommen, wo die Intrike keine Macht mehr hat, meine Entschlüsse zu erschüttern.

GRAF immer kalt und ruhig. Es handelt sich hier nicht um Intriken die dem Leichtsinn eines unbedachten Jünglings ein Ziel setzen sollen – es handelt sich um die ernste Pflicht, die mir, dem Familien-Oberhaupt zusteht, Dich zu erinnern – daß Du ein Hohenfels bist, und daß nur eine ebenbürtige Verbindung Dich zum Antritt unseres Majorats berechtigen kann.

ADOLPH. Ich habe schon damals – als ich auf die Hand Ihrer Tochter verzichtete, meinem Rechte auf das Mojorat entsagt – das wissen Sie.

GRAF die Stimme erhebend. Du bist der letzte Hohenfels, wenn meine Augen sich schließen! Du verdienst nicht ein Sprößling unseres Hauses zu sein, wenn Du den Gedanken in Wahrheit auszuführen fähig wärest.

ADOLPH kalt. Ich habe ihn bereits ausgeführt, habe meine Entsagung vor wenig Minuten unwiderruflich gemacht, indem ich den Sonnenwirth um die Hand seiner Tochter bat.

GRAF. Und Deine Zukunft?

ADOLPH. Meine Zukunft habe ich aus eigener Kraft gestaltet, habe mir die Selbstständigkeit gesichert, deren ich zu meinem Glück bedarf.

GRAF kalt. Wirklich? Und in welcher Weise?

ADOLPH befremdet. Durch meine Stelle als Legationsrath, die der Fürst selbst mir anbot. –

GRAF wie oben. Und hast Du das Decret bereits in Händen?

ADOLPH. Ich habe sein Wort, das er mir in Gegenwart von Zeugen gab.

GRAF. Und das er gewiß niemals brechen wird – vorausgesetzt, daß Du die Bedingung erfüllst die sich selbstverständlich, an eine so große Bevorzugung knüpft.

ADOLPH. Bedingung?

GRAF zieht ein Billet hervor mit Siegel. Dieses Handbillet Reicht es Adolph. das der Fürst mir gestern Abend für Dich übergab, belehrt Dich, daß es sein Grundsatz ist, einem adelichen Beamten von seiner Umgebung, nur zu einer ebenbürtigen Verbindung seine Bewilligung zu ertheilen. Zu dieser Heirath wirst Du sie nie erlangen![58]

ADOLPH hat gelesen, mit schmerzlicher Ironie. Sie haben die wenigen Stunden Ihrer Rückkehr nach Baden, gestern trefflich benützt! So bin ich denn entlassen, ehe ich mein Amt angetreten.

ROSE zuckt zusammen. Großer Gott!

VEIT. Entlassen?

DENISE. Der Arme!

DORE umschlingt Rose. Ach Rose!

GRAF sich nur mit Mühe beherrschend. So giebst Du sie nicht auf, Wahnsinniger!

ADOLPH. Nein! Rose hat sich mir gelobt und hat mein Wort.

GRAF. Du giebst sie nicht auf – die der eigene Vater Dir verweigert?

ADOLPH. Seine Macht erstreckt sich nicht über ihre Mündigkeit hinaus. Mit einem glühenden Blick auf Rose. Wir werden unser Glück geduldig erharren!

GRAF in höhnischer Wuth. Und womit willst Du sie dann ernähren? – Vielleicht mit dem Geld des Sonnenwirth's?

ADOLPH ausbrechend. Mit diesen Armen, wenn es mir nicht gelingen sollte ohne Protection, durch mein Wissen, durch rastlose Arbeit, durch geistige Begabung, durch redliches Mühen uns Brod zu schaffen. Sie wissen, daß Ihr Neffe eher Steine an der Landstraße klopfen, als die Hand nach dem Gelde seines Weibes ausstrecken würde. Ja, hören Sie es, ich bin entschlossen eher mein Feld mit eigener Hand zu graben, den Stier selbst vor den Pflug zu spannen, ehe ich mein freies Wollen, mein Manneswort, meine ganze Glückseligkeit, dem Phantom eines stolzen Namens opfere!

GRAF ausbrechend. Den Du schänden willst, Ehrloser!

ADOLPH mit Würde. Besorgen Sie das nicht, mein Oheim! Fürchten Sie nicht solch schwarzen Undank von dem Manne, der Alles was er weiß, Alles was ihn jetzt selbstständig macht, nur den großen Summen verdankt, welche Ihre Güte der kleinen Rente beifügte, die mir das bescheidene Vermögen meiner Mutter bringt. Glauben Sie mir, ich erkenne und schätze den hohen Werth eines alten ehrwürdigen Namens, und den Vorzug: den edelsten Geschlechtern des Reiches anzuhören; weil ich die Standesvorrechte, und die Pflichten, die sie auferlegen, nach ihrer vollen Bedeutung achte, scheide ich aus dem Kreis, in den die Reihe meiner Ahnen mich einführte ohne mir die Mittel zu vererben, dem Grundsatz unseres Hauses: »Noblesse oblige« gerecht zu werden. Von dieser Stunde an trete ich als Adolph Hohenfels in den Bürgerstand ein, dem ich in jeder Stellung die er mir bieten kann, Ehre zu machen hoffe.

GRAF entsetzt, fast stammelnd. Adolph! Dieser Entschluß –

ADOLPH. Ist unerschütterlich – wie Ihre schonungslose Strenge! Wir haben uns beide verloren, mein Oheim.

VEIT hat in steigender Bewegung die Scene begleitet, tritt jetzt plötzlich zu Adolph und legt ihm die Hand auf die Schulter. Herr Adolph, Sie sind ein rechter Mann, ein Besserer hat noch kein Mädel heimgeführt. Jetzt gehören Sie zu uns! Die Rosel braucht nicht zu warten auf die Mündigkeit, ich geb' Sie Ihnen von Stund' an, wenn Sie sie noch wollen! Wirft sie in Adolphs Arme. Da ist sie! Und da haben Sie den Handschlag; es ist abgemacht, Herr Sohn.

[59] GERTRUD. So ist's Recht!

DORE. O Vater!

ROSE. Gott der Gnade!

ADOLPH Rose mit einem Arm umschlingend, schlägt ein. Dank, Vater. Meine Braut! – O, nun bin ich Euer!

GRAF mit bebender Stimme, gebrochen, in sich zusammensinkend. Vergebens, vergebens – Alles verloren! Das einzige Band soll zerreißen das mich an ein Menschenherz knüpft – mein Wappen soll zerbrochen mir in die Gruft folgen – der stolze Name verklingen für immer! Aufschreiend. Nein, nein, nein, ich will nicht der letzte des Geschlechtes sein! Adolph, ich kann Dich nicht verlieren – Graf von Hohenfels, ich vertrete Dich bei dem Fürsten, führe Deine Braut in Frieden heim – Du wirst mein Erbe sein! Will gehen.

ADOLPH ihm nach, umfaßt ihn. Mein Oheim!

ROSE des Grafen Hand ergreifend. O, Dank, Dank!


Allgemeine Bewegung der Freude.


DORE an Steffens Hals. Steffen – nun giebt's auf Pfingsten Hochzeit!

VEIT UND GERTRUD fallen sich um den Hals.

VEIT. Meinetwegen! Und jetzt hat's der Sonn'wirth doch recht gemacht, mit seiner Erziehung, he? –

GERTRUD. Der liebe Gott hat recht gemacht, was Du schlecht gemacht hast! Ihm die Ehr', Alter! Sieht mit gefalteten Händen zum Himmel.

VEIT nimmt die Mütze ab.


Der Vorhang fällt.
[60]

Fußnoten

1 Wenn Lisbeth von einer ältern Darstellerin gespielt werden soll, so ist dies mit streichen einzelner Stellen in der 2. Scene des ersten Actes leicht zu bewerkstelligen. Noch habe ich zu bemerken, daß ich das Stück nicht im Dialect gesprochen wünsche, der bäuerische Ton ist hinlänglich durch Abreviationen bezeichnet.

Die Verfasserin.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863.
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