78. Das Kratenweible.

[60] Mündlich von Wurmlingen.


Zwischen Wurmlingen (Tuttlingen) und Seitingen im sog. »Aken- oder Langenthal« soll das »Kratenweible« umgehen. Eine kleine weibliche Gestalt mit einem schwarzen Hipplein und Schuhen mit eisernen Sohlen. Wenn es diese Sohlen einstens durchlaufen, wird seine Erlösung kommen. Am Arme hat es immer einen Korb oder Kraten, woher sein Name. Leute, die in jenem Revier sich aufhalten, führt es irre seit alters. Es muß umgehen in dem Walde, weil es ihn im Streite ungerecht an sich gezogen hat. Mal ging ein altes Mütterlein von Wurmlingen in aller Frühe in's Gaißenfutter in den Wald; es war gerade Tuttlinger Markt. Da begegnet ihm ein gleichfalls alt Weiblein mit zwei jungen netten Thierchen von Gaißlein. Sagte: »Früh, Weible, früh«, und wünschte ihm einen guten Morgen. Dies war aber Niemand anders, als das Kratenweiblein, und im Nu, ohne Antwort, sprang das Weiblein über Stock und Stauden und verschwand. – Dem alten Bantle begegnete Kratenweiblein mal und hatte in seinem Armkorbe zwei »Gitzlein«. Schnell wie der Blitz fuhr es an dem Manne hinum und[60] verschwand. Kraten weiblein ist weit herum bekannt: im Hegau heißt es »Bergweible«; in Weilheim » Seltlweible«, von der Seltlhalde im Weilheimer Walde.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 60-61.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagen, Märchen, Volksaberglauben
Sagen, Märchen, Volksaberglauben