246. Roßeisen an der Kirchthüre.

[158] Mündlich.


An der Kirchthüre des Kirchleins unterhalb Hirschau, Tübingen zu, sieht man jezt noch ein Hufeisen angenagelt, und die Spuren eines zweiten gleich darunter, das aber weggerissen oder abgefallen ist. Wie diese Hufeisen dahin kamen, erzählt das Volk also: Mal ritt ein gottloser Herr da vorbei und hörte die Mutter Gottes drinnen singen, wie es gar oft gehört worden ist von Vorbeigehenden. Voll des Spottes reitet er näher bis hart vor das Pförtlein und beginnt sein Peitschen und Schlagen an die Thüre unter Fluch- und Spottwörtern und will hineinreiten: da plötzlich kann er nicht mehr weiter. Auf das Gebet des herbeigeholten Priesters, in Prozession, kommt der spottende Reiter, endlich[158] in sich gekehrt, von dem Boden ab, dankt Gott in bitterer Reue über seinen Frevel und reißt seinem Rosse zwei Hufeisen ab und befestigt sie zum ewigen Gedächtniß an die Thüre133.

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Die Hufeisen an Thüren sind auf den Volksglauben (nicht selten auch in Schwaben zu treffen) zurückzuführen, wornach man zufällig gefundene Hufeisen an Stallthüren nagelt, die gegen den Blitz schützen sollen. Gegen Spuk und Zauberei schüzt man sich durch ein angenageltes Hufeisen oder an die Thür genagelten Stahl. Gerv. Tilb. otia imper. v.F. Liebrecht S. 100. An der Seitenkirchenthüre im Dorfe Hausen vor der Rhöne ist ein Pferdehufeisen angenagelt. Wolf, Zeitschr. III. S. 66. Nr. 14. Als St. Theobald im Schwedenkriege Thann (im Elsaß) rettet den 30. Dez. 1632, fallen den schwedischen Pferden die Hufeisen ab. An den Hauptthüren des Münsters von Thann wurden eine Menge derselben angenagelt. Seit 1833 sind neue Thüren da und die Wahrzeichen weg. Stöber 41. 42. Bei den deutschen und nord. Völkern waren die Hufeisen Heilszeichen, auch später an Kirchen und Kapellen. Nork, Mythol. der Volkssagen S. 87. 95.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 158-159.
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