493. Von den Hexen.

[306] Mündlich.


Meistens sind es alte häßliche Weiber, welche dem Teufel unterthan sind. Es gibt aber auch junge Hexen, sogar mit 10-14 Jahren, die schon allerlei Bosheit ausüben können. Die Männer nennt man Hexenmeister. Die weiblichen Hexen haben zu ihrem Obersten den Bocksreiter, welcher den Zug der Hexen anführt. Meist treiben sich die Hexen in den Ställen umher, besonders in den Kuhställen, um Milch zu nehmen, die Milch roth zu machen, die Kälber abzutreiben,[306] Krankheiten auszubreiten u. dgl., auch reiten sie das Vieh, lassen es aber unversehrt, wenn ein Bock, namentlich ein schwarzer, sich im Stall befindet, weil sie dann diesen Bock reiten. In den Feldern machen sie Giftgewächse, vergiften die Brunnadern, machen Gewitter und Hagel, fahren in den Wetterwolken einher oder in der Windsbraut.

Zu Hause machen sie ihre Hexensalbe und nehmen sie ihren Nachbarn den Nutzen. Blicken die Großen und Kleinen bös an, daß sie krank werden.

Fahren die Hexen durch die Luft, so sieht man sie nicht, außer wer etwa ein Sonntagskind ist – die sehen ja überhaupt alles Ungerade.

Die Salbe wird aus Kröten, Rauten, Beifuß, Menschenflüssigkeiten aller Art zusammengekocht. Aus dem Häfelchen nimmt die Hexe die Salbe, wenn sie unsichtbar werden und ausfahren will. Sie schmiert ihre Ofengabel, den Besen oder dergleichen, sich selbst unter den Achseln und an anderen Stellen des Körpers und fährt unter dem Ruf: obe 'nauss und nẽene nã! zum Schlot hinaus. Angezogen sind sie häufig nicht, sind sie es aber, so haben sie eine schwarze Juppe, einen blauen Schurz, ein blaues Wamms und eine schwarze Haube, oder einen schwarzen Hut, oder ein rotes Tuch auf dem Kopf260.

Wenn die Hexen in die Hexenzunft treten, müssen sie unsern Herrgott abschwören. Da war einmal ein Mann, der von seinem Weibe das Hexen lernen wollte. Im Bett sprachen sie davon, als es dunkel war. Der Mann hatte[307] aber aus Furcht vor seinem Weib eine Axt neben sich gelegt. Das Weib sprach zu ihm, jezt solle er nur hübsch Alles so nachsprechen, wie sie ihm vorsage. Als sie aber anfing: Ich schwöre ab den hl. Tauf, unsern lieben Herrn Jesu Christ – schwang der Mann im Zorn seine Axt und erschlug seine Vettel.

Ein anderer Mann wollte ebenfalls das Hexenwerk vom Weibe lernen. Seine Alte sagte ihm zu, nur müsse er Alles nachmachen, was sie vormache, und bei Allem, was ihn auch wundere, solle er still schweigen. Sie schmierte ihre Ofengabel und gab sie dem Mann, der hielt sie für einen Bock und schritt rittlings über ihn. Jezt sagte die Alte: obe nauss und nẽene nã! Husch! ging's durch's Kamin hinauf zum Schlot hinaus. Als die beiden lange geritten waren hoch über alles Land weg, kamen sie an das Meer, da nahm der Bock einen gewaltigen Ansprung und sezte mit dem Manne in einem Satz über das Wasser. Der konnte sich nicht mehr halten und er brummte vor sich hin: »Hm! hm! iş dês e mål e Bocksşprung g.seẽ!« Da fiel er plötzlich auf die Erde, Bock und Weib war verschwunden und der Mann befand sich in einem wildfremden Lande, er hatte Jahr und Tag zu gehen, bis er wieder nach Hause kam.

Zu Unlingen war eine Hexe, die lehrte ein junges Mädchen das Hexenwerk. Bereits versuchte sich die junge Hexe bei den andern Kindern am Bach in ihrer Kunst. Die Kinder machten Rosse, Kühe und Vögel aus Lehm. Aber die Rosse und Kühe, welche das Kind machte, liefen umher, die Vögel flogen fort. Da nahm man die Alte gefangen, sie gestand auch als Hase mit einem Menschengesicht herumgelaufen zu sein und Kraut auf Beeten abgefressen zu haben. Da ward sie verbrannt, ihrem Mädchen aber zur Gnade alle Adern geschlagen.

260

Das rote Tuch kommt in Hexensagen häufig vor, namentlich beim Buttermachen. In einem Holzschnitt zu Geilers Predigten schwebt über einem Hexenkopf das rote Tuch. Nach Olaus Magnus verehrten die Polarvölker ein solches rotes über ihnen schwebendes Tuch und schrieben ihm göttliche Kraft bei.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 306-308.
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