595. Die Hirschauer Kapelle, Legende.

[374] Mündlich.


Rechter Hand, wenn man von Tübingen nach Hirschau geht, unweit vom leztern Ort, ist die Gottesacker-Kapelle »zu unserer lieben Frau«. An diesem Platze stand vor alten Zeiten gar nichts als ein großer »Hollunderbosch« (Holderbosch). In diesem Busche hörte man oft sehr schön singen, wußte nicht, woher es kam. Leute auf dem Felde wollen besonders in der Erndte den wunderschönen himmlischen Gesang mehr als oft gehört haben, bis endlich auch Einige, nicht Jeder konnte es sehen, dort die Mutter Gottes mit dem Jesuskinde deutlich gewahrten. Alsbald erhob sich, vom frommen Eifer unterstützt, eine kleine Kapelle an des Busches Stelle.

Beim Bau trug sich aber Folgendes zu: Man wollte das Kirchlein weiter berganwärts bauen; so oft man aber Morgens an die Arbeit ging, waren die Gebälke und der Baustoff allemal wieder hunten an Stelle des Hollunderbusches. – So blieb's also dabei, hier das Kirchlein aufzubauen. Zu beiden Seiten der Pforte wurden zwei prächtige Hollunderbüsche aufgepflanzt. Von da an sang die Mutter Gottes in dem »Käppele«303.

303

Vom Singen der Mutter Gottes gibt es viele Sagen. Rochholz A.S. II. 297. I. 380. Schnezler, bad. Sagb. I. 444. II. 239. Kaltenbäck, Mariensag. Nr. 29 u. Nr. 36. Mehreres bei Rochholz A.S. II. 298. Singendes Marienbild zu Steinach B. Baader, II. Abthlg. Nr. 88. Auf dem Wälschenberg ob Mülheim und sonst in Schwaben soll es noch öfters geschehen sein. Vgl. auch Baader, Nr. 14. 2. 102.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 374.
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