650. Das wunderbare Kruzifix in der Kreuzkapelle.

[425] Etwa fünf Minuten von Saulgau, wo sich die Straßen nach Aulendorf und Altshausen trennen, ist die vielbesuchte Kreuzkapelle. Ueber dem Altar steht ein großes Kruzifix, gerade nicht viel Kunst, aber viel Ausdruck zeigend. Davon geht die Sage, die Schweden hätten es verbrennen wollen, seien aber übel weggekommen. Das Kruzifix sei eben zu verbrennen unmöglich gewesen: es habe sich erhoben und die Schweden seien erschrocken davon gelaufen. Rechts vom Altar (von den Stühlen aus) geht eine Seitenthüre hinein in die Sakristei. An der Thüre oben sieht man gemalt die Kreuzkapelle. Davor liegt ein Kruzifix mitten im Feuer unversehrt. Fünf Schweden liegen betäubt drum herum, ein sechster lauft davon voll Angst. Zum Stadtthor von Saulgau zieht das Schwedenheer heraus. Links unten steht: »Die Schweden haben dise Bildnuß des gecreuzigten Heylandts verbrennen wollen, seindt ober von Gott an der stell gestrafft worden.«

Links des Altars ist eine zweite Thüre. Darauf ist gemalt die Kreuzkapelle; eben zieht ein Trupp Schweden unter Pfeifen und Trommelschlag in die Kapelle ein, während andere abziehen, wieder andere schon bei Saulgau hinziehen; einer hält oben rechts von der Thüre Wache. Rechts unten am Bilde steht: »Anno 1634 den 12. Mertzen ist der Schwedische Feindt nacher Saulgau khommen[425] und hat alle Nacht in dieser Capellen Wacht gehalten.«

Unten an der Thüre sehen wir die Kreuzkapelle wieder, davor ein strahlendes Kruzifix stehen, und einen fliehenden Haufen Schweden mit Lanzen. Darunter steht: »Die Schweden haben abermahl in die Kapelle eindringen wollen, da stunde das Kruzifix helle gläntzend vor der Kirchenthür. Wovon sie mit größtem schrekhen abgewichen.«

Unten an der Thüre rechts begegnen wir einer großen Prozession, die von Saulgau aus mit dem wunderbaren Kruzifix gen der Kreuzkapelle zieht. Darunter heißt es: »Anno 1734 den 12. Mertzen ist die hundertjährige Festivitet mit einer solennen Prozession gehalten worden. Gott gebe daß Saulgau und eine wehrte Nachbarschaft auß disem Gnaden brunen beständigen göttlichen Segen erhalte«344.

344

Auf diese Sage ist auch hingewiesen in Hafens »Auszug aus der Saulgauer Pfarrchronik«, Saulgau, Edel 1851. S. 30. »1634. Am 12. März des nebenstehenden Jahres stund ein schwedischer Wachtposten bei der hiesigen Kreuzkapelle. Nach einer wolverbürgten Sage wollten die brutalen Kriegsleute das Christusbild in der Kapelle verbrennen. Aber das Bild des Gekreuzigten erhob sich, und die Schweden flohen in großem Schrecken davon. Saulgau war gerettet.« – Hans Müller hieß der Krieger, welcher das Ereigniß überall bestätigte. – Vgl. Saulgauer O.A. Beschr. S. 107. 6. Vgl. Stöber S. 96, wo die Schweden ein Muttergottesbild verbrennen wollten. S. 186 ff.: das hölzerne Kruzifix in Pforzheim vor der lateinischen Schule, das von einer verbrannten Kirche übrig blieb. Zingerle, Sagen, Märchen etc. S. 379. 380. Die Thatsache, daß das Volk in rohen, kunstlosen Bildern mehr Göttliches findet, als in schönen, kunstgerechten, bestätigt sich auch hier wieder.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 425-426.
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