62. Das Bräutlingbaden in Scheer.

[46] In der Fastnacht haben die Scheerer und Sigmaringer folgenden eigenthümlichen Brauch, »Bräutlingbaden« genannt. Die ledigen Gesellen – es müssen aber lauter Bürgerssöhne sein – gehen bei allen Bürgern herum, so von der lezten Fastnacht an geheiratet haben. Es ist ein feierlicher Umzug. Von einem Wirtshaus, allwo sie nachher ihren Tanz halten, ziehen die Bursche aus. Voran springt der » Fâsnetnarr« in seinem säckigen Kleid und mit seiner mächtigen Peitsche. Mit seinem Rollengeschell unter gewaltigem »knëlle« rennt und thut er wie nochmal ein Narr. Die Kinder und auch schon erwachsene Mädchen fürchten ihn sehr, weil er sie »rueßig« macht, wenn er eins [46] »vertwischt«. Nach dem Narren kommen zwei oder vier Läufer. Die sind so angethan: weiße Hosen, schöne Bändel um »d'Knui« und um »d'Aerm«, schöne Hosenträger, ein schneeweißes Hemd und ein kleines Hütlein auf dem Kopf. Die Läufer haben natürlich auch Peitschen, denn das »Schnellen« ist beim ganzen Fest die Hauptsache. Darum nimmt man auch nur solche zum Fest, die recht »schnellen« können. Jezt kommt der Zug: die Gesellen mit der Musik. Sie haben schwarze Fräcke an und Seidenhüte auf dem Kopfe. Auch die »Hent schet« dürfen nicht fehlen. Einer von der Musikbande hat eine Weinkante in der Hand, gefüllt; ein anderer trägt einen dicken Prügel, reichlich mit schönen Bändern verziert. Zwei von der Bande machen auf: einer geiget, der andere »klanêtet«, versteht sich, haben auch sie schöne Bändel an ihren Instrumenten, wie die sog. »Läufer«. Die Beiden spielen einen rechten »Rochesbumpernickelsmarsch« auf dem ganzen Weg. Ueberall stehen Leute herum und die Jugend springt, was sie nur springen kann. Jezt geht der Zug in die Häuser hinein. Die Musikanten spielen drauf los und die jungen Eheleute tanzen darnach, wenn sie mögen. Aber warum sollten sie nicht mögen? Die jungen Weiber mögen immer gern tanzen. Aber wie geht's denen? Dieweil sie tanzen, stiehlt ihnen der Narr das Fleisch aus dem Hafen und einen Braten vom Kamin herab und springt mit fort. Gar manches Mal trug sich's zu, daß die Weiber statt dem Speck für ihr Tanzen das bloße Kraut essen mußten. Zulezt handelt es sich noch um's Trinkgeld für die Gesellen; dann gehen sie. Bekommen sie keines, so wird der »Bräutling gebadet«. Er muß auf den Prügel sitzen, dann trägt man ihn durch's ganze Städtchen, bis zum »Rohrbronnen«. Dreimal läuft man mit ihm um den Brunnen[47] herum und dann »keit« man ihn hinein. So weit kommt's doch fast nie: der junge Mann wollte eben auch einen Spaß haben und ließ sie das Trinkgeld auch vorher abverdienen. Ist Alles zu Ende, so geht man in den »Hirsch« oder in's »Bräuhaus« und hält einen Gesellentanz und ist lustig und heiterer Dinge. Das gestohlene Fleisch läßt man kochen, das Trinkgeld vertrinkt man. – Das nächste Jahr thut man wieder »Bräutlingbaden« am Fastnachtmontag gleich Morgens nach der Kirche. Wenn ihr's sehen wollt, so könnet ihr kommen9.

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Zu Scheer und in der Umgegend ist noch die Sitte, daß die ledigen Mannsleute am Ende des Jahres bei jedem Neuverheirateten einkehren, dort tanzen und darauf den Ehemann, wenn er sich nicht von dem Vergnügen loskauft, in dem Ort herumtragen und am Ende in den Brunnen tauchen. Saulg. O.A. Beschr. S. 49.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 46-48.
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