231. Strafen für die Gefallenen in Rotweil.

[217] Im Jahre 1762 fand sich der Magistrat von Rotweil in Folge eines sehr ärgerlichen Ueberhandnehmens des unkeuschen Lebenswandels genötigt, eine eigene verschärfte Strafordnung zu erlassen, deren wesentliche Bestimmungen folgende sind:[217]

1) Jene ledigen Bürgers- oder Unterthanssöhne und Töchter, Knechte und Mägde, auch Auswärtige ohne Unterschied, welche in dem Reichsstadt Rotweilischen Gerichtsbezirck zu Stadt und Land eines Lasters wider das sechste Gebot sich schuldig machen, sollen füraus allvorderst in dem Orte des beschehenen Frevels an einem Sonn- oder Feiertage vor der Kirchhofthüre, in der Stadt aber auf dem Markte eine Stunde lang mit strohernem Degen, Kranz und Tafel ausgestellt, hernach aber beide in der Stadt Rotweil an einem Schub- oder Arbeitkarren festgemacht und mit einer Kappe von eisernem Ring und einem Stängle, auch daran hangendem Glöckle angethan und also zu ihrer wohlverdienten Strafe und Beschämung, andern aber zum abschreckenden Beispiele vierzehn Tage lang zur Stadtarbeit angehalten, über Nacht aber mit gesparsamer Nahrung, die sie aus ihren Mitteln beizuschaffen haben, auf dem Thurme verwahrt werden88.

2) Jene Ledigen aber, welche sich nach schon ausgestandener obiger Bestrafung wieder vergehen, haben die öffentliche Ausstellung zwei Mal, und die Arbeit in der bemerckten Rüstung und Verpflegung sechs Wochen lang zu erleiden und zu verrichten.

3) Beim dritten Vergehen werden Auswärtige drei Mal ausgestellt, müssen ausserdem die öffentliche Arbeit drei Monate lang ausstehen etc.

4) Verübt ein verehelichter Theil das Verbrechen mit einem Ledigen, so sollen beide, und zwar das verheiratete Individuum mit der Tafel und der Aufschrift: »Strafe des ersten einfachen Ehebruchs«, das ledige aber mit strohernem[218] Kranz und Zöpfen oder strohernem Degen in dem Orte des Verbrechens eine halbe Stunde vor und eine halbe Stunde nach dem vormittägigen Sonn- oder Feiertäglichen Gottesdienst vor die Kirche gestellt, und das verheiratete in der Stadt sechs Wochen lang, das ledige hingegen vier Wochen lang zu öffentlicher Arbeit angehalten und ausserdem das Verheirathete sowohl in zünften als gemeinden aller Ehrenämter auf alle Zeit entsezt werden.

S. 166: Beim zweiten Vergehen zweimalige Ausstellung mit angehängter Tafel und Umschrift: »Strafe des zweiten einfachen Ehebruchs«; das dritte Vergehen dreimalige Ausstellung mit Tafel und Umschrift: »Strafe des dritten einfachen Ehebruchs.«

Begehen zwei Verehelichte einen Ehebruch, so sollen diese mit brennenden schwarzen Kerzen eine Stunde vor und eine halbe Stunde nach einem Sonn-oder Feiertäglichen Gottesdienste mit der Tafel: »Strafe des ersten doppelten Ehebruchs«, in dem Orte der begangenen Sünde vor die Kirchthüre gestellt werden etc.

88

Ruckgaber I. 164. Anmerk. 209 und S. 165.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 217-219.
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