Sehnsucht eines Liebenden

[27] Immerdar mit leisem Weben

Schwebt dein süsses Bild vor mir,

Und ein liebesehnend Beben

Zittert durch die Seele mir.


Weg aus deinem Zauberkreise,

Wo du mich so fest gebannt,

Zog durch eine weite Reise

Mich die Freundschaft auf das Land.


Hier im Mutterarm der schönen

Allerfreuenden Natur,

Fehlt zum Allgenuß des Schönen,

Herrliche! dein Kuß mir nur.


Halbgenossen glitscht die Freude

Ueber meinem Herzen hin,

Die Natur im Frühlingskleide

Seh' ich nur mit halbem Sinn.


Todt sind ohne dich die Fluren,

Eine Wüste die Natur,

An den Bäumen find' ich Spuren

Meiner heissen Sehnsucht nur.


Wenn ein liebesehnend Drücken

Mich hinaus in's Freie zieht,

Such' ich oft des Berges Rücken,

Der dich meinem Aug' entzieht;


Bleibe dann, wie eine Büste,

Starr nach dir hinsehend, steh'n,

Seh' und seh', und mein, ich müßte

Dich zu mir herüber seh'n,


Aber still heraufgegangen

Kommt der Mond statt deiner dann,

Und ein inniger Verlangen

Flammt in meiner Brust sich an.
[28]

Hin, ach, hin zu seinen Höhen

Möcht' ich fliegen, und auf dich,

Ach auf dich herniedersehen,

Und hernieder schwingen mich.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 27-29.
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