Die 16. Historie sagt, wie Ulenspiegel zu Peyne in einem Dorff ein kranck Kind scheissen macht und grossen Danck verdiente.

[48] Recht bewärt Artznei schücht man zuzeiten umb eins cleines Gelts willen, und man mus den Landlöfferen offt noch so vil geben, als gescha eins im Stifft zu Hildeßheim. Dahin kam auch einsmals Ulenspiegel, und er kame in ein Herberg,[49] da was der Wirt nit daheim und Ulenspiegel was wol bekant da. Unnd die Wirtin het ein kranck Kind. Da fraget Ulenspiegel die Würtin, waz doch dem Kind gebrest und was es für ein Kranckheit hät? Da sprach die Wirtin: »Daz Kind kan nit zu Stul gon. Möchte es nur zu Stul gon, so würd es besser mit ihm.« Ulenspiegel sprach: »Dem wär noch gut Rat zu thun.« Die Fraw sprach: »Hilff er ihm.« Sie wolt ihm geben, waz er wolt. Ulenspiegel sprach, dafür wolt er nüt nemen, es war ihm ein leichte Kunst. »Beiten ein cleine Weil, es sol bald geschehen.« Nun het die Fraw da hinden im Dorff etwaz ze thun und gieng darhinder. Dieweil scheiß Ulenspiegel ein grossen Huffen an die Want unnd setzt bald des Kindß Stülin darüber und setzt daz Kind daruff. Also kam die Fraw wider uß dem Hoff herfür und sah es uff dem Stülin sitzen und sprach: »Ach, wer hat daz gethon?« Ulenspiegel sprach: »Ich hab es gethon. Ehr sagten, daz Kind künt nitt zu Stul gon, also hab ich das Kind daruf gesetzt.« Da ward sie gewar des under dem Stülin lag. Sie sprach: »Sehen hie zu, daz hat dem Kind in dem Leib gbrosten, daz haben imer Danck, daz ihr dem Kind also hon geholffen.« Ulenspiegel sprach: »Der Artznei kan ich vil machen mit Gottes Hilff.« Die Fraw bat ihn früntlich, daz er sie die Kunst auch wolt leren, sie wolt ihm geben, waz er wolt. Da sprach Ulenspiegel, wie daz er wegfertig wär. So er aber widerkäm, so wolt er sie es leeren, und sattelt sein Pferde und reit gen Rosendal zu. Und kort wider umb und reit wider geen Peynen zu und wolt durchin reiten gen Zel. Da stunden die nackende Bankressen von der Burg und fragten Ulenspiegeln, was Weges er daherkam. Ulenspiegel sprach: »Ich kum von Koldingen.«[50] Er sahe wol, daz sie nit vil anhetten. Sie sprachen: »Hör hieher. Wa kumpst du von Koldingen, was enbeut uns dan der Winter?« Ulenspiegel sprach: »Der wil euch nüt enbieten, er wil euch selber ansprechen.« Unnd reit hin unnd ließ die nackenden Buben ston.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 48-51.
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