XXX.

[58] Wem nach viel Pfründen hier ist noth,

Deß Esel fällt oft in den Koth:

Viel Säcke sind des Esels Tod.


Ein Narr, selbst unter der Last eines Sackes seufzend, überbürdet einen schon in die Knie gesunkenen Esel.


Von viel Pfründen.

Ein Narr ist, wer 'ne Pfründe gewann,

Der er allein kaum Recht thun kann,

Und nimmt soviel Säck' auf den Rücken,

Bis daß der Esel muß ersticken.

Pfründ', die geziemet, nähret wohl;

Wer mehr sich nimmt, derselbe soll

Acht haben, daß ein Aug' er wahre,

Damit ihm das nicht auch ausfahre;

Denn wenn er Pfründen noch gewinnt,

Wird er auf beiden Augen blind,

Dann hat er Tag und Nacht nicht Ruh',

Wie er zahllose nehm' dazu.

Dem Sack ist ganz der Boden aus,

Bis daß er fährt zum Todtenhaus.

Aber man thut jetzt dispensiren,

Wodurch sich Mancher läßt verführen,

Der meint, daß er sei sicher ganz,

Bis elf und Unglück wird sein' Schanz'.

Viel Pfründen Mancher besitzen thut,

Der nicht zu einem Pfründlein gut,[58]

Dem er möcht' recht Genüge thun,

Der tauscht und kauft nun ohne Ruhn,

Daß er wol irr wird in der Zahl

Und thut ihm also weh die Wahl,

Daß er sitz' auf der rechten Stelle,

Um dort zu leben als guter Geselle.

Das ist eine sorgenvolle Collekt':

Wahrlich, der Tod im Hafen steckt!

Wo man Pfründen jetzo verleiht,

Sind Simon und Hiesi nicht weit.

Merk: will viel Pfründen ein Geselle,

So harrt er der letzten in der Hölle,

Da wird er finden eine Präsenz,

Die mehr bringt als sechsmal Absenz.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 58-59.
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