XL.

[74] Wer einen Thoren sieht fallen hart

Und sich darnach doch nicht bewahrt, –

Greift einem Narren an den Bart.


Ein Narr fällt über den andern; ein Weiser sieht es und geht auf sie hinweisend klüglich vorüber.


An Narren sich stoßen.

Täglich sieht man der Narren Fall

Und spottet ihrer überall;

Sie sind verachtet bei den Klugen,

Die selbst die Narrenkapp' oft trugen;

Es schilt ein Narr den andern Narren

Und fährt auf dessen Weg den Karren

Und stößt sich dort zu jeder Frist,

Wo erst ein Narr gefallen ist.

Hippomenes sah manchen Gauch

Vor sich enthaupten, wollte auch

Sich und sein Leben wagen ganz,

Und fast war Unglück seine Schanz.

Ein Blinder schilt den andern blind,

Wiewol sie beid' gefallen sind;

Ein Krebs den andern schalt, um daß

Er hinter sich gegangen was,

Und ging ihrer keiner vorwärts doch,

Denn einer hinter dem andern kroch.

Dem Stiefvater folgt oft und viel,[74]

Wer nicht dem Vater folgen will.

Hätt' Phaëton nicht den Wagen bestiegen,

Thät Ikarus so hoch nicht fliegen,

Wären gefolgt den Vätern beide, –

Sie blieben verschont von Tod und Leide.

Noch nie bei Gott zu Gnaden kam,

Wer nachgefolgt Jerobeam,

Obschon er sah, daß Rach' und Plag'

Kam stets ohn' Unterlaß darnach.

Wer einen Narrn sieht fallen hart,

Mög' selbst sich halten wohlbewahrt,

Denn das ist gar ein weiser Mann,

Wer sich durch Narren bessern kann.

Der Fuchs wollt' nicht zur Höhle gehn,

Weil kein Thier wieder er gesehn.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 74-75.
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Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
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Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
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