LXI.

[107] Das Best' am Tanzen ist, daß man

Nicht immerdar nur geht voran,

Sondern bei Zeit umkehren kann.


Das goldne Kalb auf einer Säule, umtanzt von Narren und Närrinnen, Pfaffen, Mönchen und Laien. Eine Närrin springt so hoch, daß man ihre Beine sieht.


Vom Tanzen.

Die hielt ich fast für Narren ganz,

Denen Lust und Freude macht der Tanz,[107]

Die im Kreise laufen und drehn sich toll

Um Füße müd' und staubesvoll;

Aber so ich bedenke dabei,

Wie Tanz mit Sünd' entsprungen sei,

So kann ich merken und betrachte,

Daß ihn der Teufel auf wol brachte,

Als er das goldne Kalb erdachte.

Und schuf, daß man Gott ganz verachte,

Noch viel damit zu Weg' er bringt.

Aus Tanzen Unheil oft entspringt:

Da ist Hoffahrt und Ueppigkeit

Und Vorlauf der Unlauterkeit,

Da schleift man Venus bei den Händen,

Da thut all' Ehrbarkeit sich enden.

Drum weiß ich auf dem Erdenreich

Keinen Scherz, der so dem Ernst sei gleich,

Als daß man Tanzen hat erdacht,

Auf Kirchweih und Primiz gebracht:

Da tanzen Pfaffen, Mönch' und Laien,

Die Kutte muß sich hinten reihen;

Da läuft man, wirft umher wol Eine,

Daß man hoch sieht die bloßen Beine;

Ich will der andern Schande schweigen.

Der Tanz schmeckt süßer da als Feigen.

Wenn Kunz mit Greten tanzen mag,

– Ihn hungert nicht den ganzen Tag,

Dann werden sie des Kaufes eins,

Wie man den Bock geb' um die Geis.

Soll das nun Kurzweil sein genannt,

So hab' ich Narrheit viel erkannt.

Viel warten lange auf den Tanz,

Die doch der Tanz nie sättigt ganz.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 107-108.
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Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
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