LXIX.

[128] Wer in die Höhe wirft den Ball

Und glaubt nicht, daß er wieder fall',

Der will die Leut' erzürnen all.


Ein Narr schlägt mit beiden Fäusten nach einem ruhigen Bürger, der ihn zu beschwichtigen sucht. Ein jüngerer Bürger steht abwartend im Hintergrunde.


Böses thun und nicht erwarten.

Der ist ein Narr, wer andern thut,

Was ihm von keinem scheint als gut.

Schau' jeder, was er andern thu',

Damit man es auch ihm füg' zu.

Was einer rufet in den Wald,

Dasselb' ihm allzeit wiederhallt;

Wer andre stößet in den Sack,

Wart selbst auch auf den Backenschlag.

Wer vielen sagt, was jedem gebrist,

Der hört gar oft auch, wer er ist.

Was Adonisédech war gewohnt

An andern, so ward ihm gelohnt;

Berillus sang selbst in der Kuh,

Die er gerüstet andern zu;

Das Gleiche geschah auch Busiris,

Dem Diomed und Phalaris;[128]

Man gräbet andern wol ein Loch,

Darein man dann fällt selber doch.

Einen Galgen Haman andern baute,

Daran man ihn bald selber schaute.

Trau jedem wol, doch für dich lug!

Denn wahrlich! Treu' ist jetzt oft Trug,

Schau erst, was hinter jedem steck':

Denn Trauwohl ritt viel Pferde weg!

Iß nicht mit einem neidischen Mann;

Geh nicht zu Tisch mit ihm heran,

Denn er von Stund' an Pläne macht,

An die du nie bei dir gedacht.

Er spricht zu dir: »Freund, iß und trink!«

Doch ist sein Herz an dir ganz link,

Als ob er spräch: »Wol gönn' ich's dir,

Als hätt's ein Dieb gestohlen mir!«

Es lacht dich Mancher an im Scherz,

Der insgeheim gern äß dein Herz.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 128-129.
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