XC.

[171] Den Vater und die Mutter ehre,

Auf daß dir Gott die Tage mehre,

Und nicht dein Lob in Schand' sich kehre!


Ein greiser Narr am Stabe, der sein Geld hingibt, wird von seinen Kindern, Mädchen und Knabe, mit Stecken bedroht.


Ehre Vater und Mutter.

Der ist ein Narr, ganz offenbar,

Wer Kindern gibt, was ihm noth war[171]

Zum eignen Leben, weil er denkt,

Es werde Hilfe ihm geschenkt

Von ihnen auch in spätrer Noth.

Dem wünscht man jeden Tag den Tod,

Der wird gar bald unwerth als Gast

Den Kindern sein zur Ueberlast.

Doch ihm geschieht wol nur sein Recht,

Weil sich sein Witz bedacht so schlecht,

Daß er mit Worten sich ließ krauen;

Drum soll man ihn mit Keulen hauen!

Doch lebt nicht lange auf der Erd',

Wem Vater und Mutter nicht sind werth;

In Finsterniß verlöscht das Licht

Deß, der die Eltern ehret nicht.

Des Vaters willen traf Absalon

In jungen Jahren böser Lohn,

Desgleichen ward verfluchet Ham,

Weil er entblößt des Vaters Scham,

Belsazar hatte wenig Glück,

Weil er den Vater hieb in Stück';

Auch Sanherib starb von der Söhne Hand,

Deren keiner bekam so Leut' wie Land;

Tobias gab dem Sohn die Lehre,

Daß er die Mutter hielt in Ehre;

Darum stand König Salomon

Vor der Mutter auf von seinem Thron,

Und Corylaus, der gute Sohn,

Die Söhne Rechabs lobet Gott:

Sie hielten väterlich Gebot.

Wer leben will, spricht Gott der Hehre,

Der biete Vater und Mutter Ehre,

Daß Tage er und Reichthum mehre!

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 171-172.
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