Sechste Scene.

[85] MEPHISTOPHELES eilig von der andern Seite herein; Robert nachblickend.

Der Eine geht, der Andre kommt!

Ich aber sorge, daß sie sich begegnen.

O was mir Robert's Ankunft frommt!

Er folgte schnell der Lockung, der verwegnen.

Nun, meine Sachen stehen gut;

Das bricht dir, Faust, deinen Übermuth,

Und liefert dich, schon sehe ich das Ende,

Als Pflegling neuerdings in meine Hände.

Noch bist du nicht des Truges quitt

Und sollst es auch sobald nicht werden;

Der Teufel ist das Schlimmste nicht auf Erden,

Viel schlimmer spielt das Herz euch Menschen mit.


In die Scene blickend.


Da kommt mein Doctor, ganz erhitzt einher,

Und wie es scheint, von einem Schmause,

Er schwebt, getragen vom Champagner,

Den Weg zu seinem Schatz nach Hause.

Ich ziehe mich zurück, obwol der Bann

Mir nicht so drückend mehr erscheint;

Was doch ein Glas zu viel nicht machen kann!

Noch eins, und wir sind abermals vereint.


Birgt sich an einem Pfeiler.
[86]

FAUST vorne links herein, von Wein erhitzt.

Mir war so wohl, so warm und leicht

Noch nicht, so lang' ich denke; wonnig beben

Mir alle Pulse, ringsum reicht

Entzückte Lippen mir das Leben;

Ich möcht' an alle sinken,

An allen trinken!

Wo bin ich! und wo will ich hin?

Bin ich am Wege nicht nach Hause?

Nach Hause? – Wie? In meine finstre Klause?

Wo ist mein Famulus? –


Er fährt sich über die Stirne.


Ja so! – Das war Genuß,

Beginn nur des Genusses zwar,

So selig aber ganz und gar!

O König Franz, dein Wein, den ich genoß.

Dicht am Bibliothekenschloß,

Macht mich, wie ich noch nie gewesen, groß,

Fast aller Erdenbande los! –

Warum doch eilt' ich fort?

Wohin doch wollt' ich nur? – Nach Hause? – Wie?

Ha, ich besinne mich! Mein wartet sie –

O wär' sie nur zu Hause nicht!

Zu Hause! Elend Wort! Der Zauber bricht,

Luftschlösser stürzen heulend ein,

Die aufgebaut der Himmelswein,[87]

Es stellt der Sinne Wonnelied sich ein,

Und durch die kalte, todte Pause

Pfeift's mir ins Ohr: Nach Hause! –

Wie? Faust, bist du ein Narr!

Drum sprengtest alle Erdenketten du,

Daß dich ein Weib beherrschen kann

Und fesseln an des Hauses weiche Ruh!?

Nach Hause? Brach mein Haus denn nicht zusammen,

Verzehrten Alles nicht die Flammen?

Was trieb dich in die Welt hinaus,

Wenn nicht das Leben? Und du willst nach Haus?

Was soll die Puppe für den Riesen? –

Daß ich den Geist von mir gewiesen!

Wo bist du?! –

MEPHISTOPHELES sich nähernd.

Lösest du den Bann?

FAUST lachend.

Du armer Wicht! Nu, komme nur heran –

MEPHISTOPHELES zu seinen Füßen stürzend.

Mein großer Meister!

FAUST.

Du sollst mir dienen, sei's auch nur für heut. –

MEPHISTOPHELES sich erhebend.

Ich weiß dir Lust, Herr, voll Unendlichkeit,

S'ist Alles eingeleitet[88]

Und zum Entzücken für dich vorbereitet –

Komm nur, du sollst mir danken –

FAUST.

Doch meine Sinne wanken –

MEPHISTOPHELES.

So halte dich an mich –

FAUST lächelnd.

Hast Recht, ich stütze mich auf dich.


Beide ab.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 85-89.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Sophonisbe. Trauerspiel

Sophonisbe. Trauerspiel

Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.

178 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon