Decretum

[905] Die städtische Schützengesellschaft, nach Anhörung des beigefügten Rapports der geschwornen Ärzte, beschließt wie folgt: der zurückgebliebenen leiblichen Hälfte des Uhrmachermeisters wäre, da die Ärzte ihm ein gutes Testimonium abgelegt haben, die Aufnahme zu bewilligen, wenn er sich anheischig machen wollte, die verdächtigen Vagabunden, mit[905] denen er Umgang pflegt, auszuliefern, und zwar die Planeten, Seiltänzer, Bänkelsänger, Urinbeschauer ins Zuchthaus, das Tier mit sieben Häuptern und die übrigen Sternbilder in die hiesige Menagerie, wo man sie den naturae curiosis zur weiteren Beobachtung und Untersuchung überlassen wird. Was aber die böslich entwichene Hälfte betrifft, so soll er als Entwender fremden Eigentums förmlich für vogelfrei und unfähig erklärt werden, jemals in die Gesellschaft aufgenommen zu werden, mit der Bedrohung des Hinterlassenen, ihn bei dem mindesten verdächtigen Umgang mit dem Inkulpaten in die gleiche Acht zu kondemnieren. Sie bedauert dabei zugleich mit allen ihren Mitbürgern aufs höchste den Unfall des Doctor Sphex und wird seinen leidigen Verführer mit Steckbriefen verfolgen, worin sie jeden auffordert, acht zu haben auf einen Menschen von der und der Gestalt, im braunen Überrocke etc., und im Falle ein dergleichen verdächtiges Subjekt einem Biedermanne aufstößt, ihm eine Prise Tabak mit Nieswurz zu präsentieren und durch die darnach erfolgende konvulsivische niesende Bewegung dem armen Doctor Sphex womöglich aus seiner gefänglichen Haft auf freien Fuß zu verhelfen, wobei der, welchem das Unternehmen gelingt und der dabei den Doctor während dem Gesundheitwünschen geschickt aufzufangen versteht, daß ihm kein Glied seines Leibes versehrt, verbogen oder zerbrochen wird, ein gutes Douceur erhalten soll. Ad reciproca paratus, ulteriora autem reservando.

Also geschlossen bei der städtischen Schützengesellschaft.


Es verlautet seither, Doctor Sphex sei wirklich ausgeschneuzt worden, und auf der Rückreise in seine Vaterstadt begriffen er habe übrigens die Geistesgegenwart gehabt, während seiner babylonischen Gefangenschaft genaues Journal zu halten über alles, was er erfahren habe in dem dunkeln Schlunde, und die vielen seltsamen Abenteuer, die ihm darinnen aufgestoßen seien, und er wolle, wenn das Publikum Lust dazu bezeuge, sie im Druck ausgehen lassen, wodurch alle Ding: Geographie, Statistik, die Belles Lettres, Astronomie, Nastik, Oryctognosie, Chemie und selbst die Philosophie ersprießlichen Nutzen verspüren würden, weil der Doctor lange Zeit sehr innigen Umgang[906] mit den neuen Ideen gepflogen hat, und mit mehreren derselben durch Verheiratung sich in das Verhältnis einer sehr fidelen Blutsverwandtschaft gesetzt hat, wie er denn auch einige junge Naseweisen aus dieser Sippschaft, die sich in der äußeren Welt umsehen wollen, wirklich mit sich führen soll.


Die löbliche Schützengesellschaft hat mir erlaubt, die ganze Geschichte mit einem Kupfer abdrucken zu lassen, um die 44 Kreuzer für das Konzert wieder herauszubringen; ich schickte sogleich den Aufsatz ins Morgenblatt, das sehr gut bezahlt; aber mein Lehrbursche trug ihn aus Dummheit in die Badische Wochenschrift, wo ich nun nichts kriege. Ich bitte daher unter der Hand nur um vierundvierzig Subskribenten, die mir jeder einen Kreuzer bezahlen, wofür ich ersterbe oft genannter

BOGS, Uhrmacher.

Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 2, München [1963–1968], S. 905-907.
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