Fuchs und Gans

[327] Es war die erste Maiennacht.

Kein Mensch im Dorf hat mehr gewacht.

Da hielten, wie es stets der Fall,

Die Tiere ihren Frühlingsball.


Die Gans, die gute Adelheid,

Fehlt nie bei solcher Festlichkeit,

Obgleich man sie nach altem Brauch

Zu necken pflegt. So heute auch.


Frau Schnabel, nannte sie der Kater,

Frau Plattfuß, rief der Ziegenvater;

Doch sie, zwar lächelnd aber kühl,

Hüllt sich in sanftes Selbstgefühl.


So saß sie denn in ödem Schweigen

Allein für sich bei Spiel und Reigen,

Bei Freudenlärm und Jubeljux.


Sieh da, zum Schluß hat auch der Fuchs

Sich ungeladen eingedrängelt.

Schlau hat er sich herangeschlängelt.
[327]

Ihr Diener, säuselt er galant,

Wie geht's der Schönsten in Brabant?

Ich küss' der gnäd'gen Frau den Fittich.

Ist noch ein Tänzchen frei, so bitt ich.


Sie nickt verschämt: O Herr Baron!

Indem, so walzen sie auch schon.

Wie trippeln die Füße, wie wippeln die Schwänze

Im lustigen Kehraus, dem letzten der Tänze.

Da tönt es vier mit lautem Schlag.

Das Fest ist aus. Es naht der Tag. –


Bald drauf im frühsten Morgenschimmer

Ging Mutter Urschel aus, wie immer

Mit Korb und Sichel, um verstohlen

Sich etwas fremden Klee zu holen.

An einer Hecke bleibt sie stehn:

Herrje, was ist denn hier geschehn?

Die Füchse, sag ich, soll man rädern.

Das sind wahrhaftig Gänsefedern.

Ein frisches Ei liegt dicht daneben.

Ich bin so frei es aufzuheben.

Ach, armes Tier, sprach sie bewegt,

Dies Ei hast du vor Angst gelegt.

Quelle:
Wilhelm Busch: Sämtliche Werke, Herausgegeben v. Otto Nöldeke, Band 6, München 1943, S. 327-328.
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