Dritter Streich

[355] Jedermann im Dorfe kannte

Einen, der sich Böck benannte. –


Dritter Streich

– Alltagsröcke, Sonntagsröcke,

Lange Hosen, spitze Fräcke,

Westen mit bequemen Taschen,

Warme Mäntel und Gamaschen –

Alle diese Kleidungssachen

Wußte Schneider Böck zu machen. –

– Oder wäre was zu flicken,

Abzuschneiden, anzustücken,

Oder gar ein Knopf der Hose

Abgerissen oder lose –

Wie und wo und was es sei,

Hinten, vorne, einerlei –

Alles macht der Meister Böck,

Denn das ist sein Lebenszweck. –

– Drum so hat in der Gemeinde

Jedermann ihn gern zum Freunde. –

– Aber Max und Moritz dachten,

Wie sie ihn verdrießlich machten. –


Dritter Streich

[355] Nämlich vor des Meisters Hause

Floß ein Wasser mit Gebrause.

Übers Wasser führt ein Steg

Und darüber geht der Weg. –


Dritter Streich

Max und Moritz, gar nicht träge,

Sägen heimlich mit der Säge,

Ritzeratze! voller Tücke,

In die Brücke eine Lücke. –


Als nun diese Tat vorbei,

Hört man plötzlich ein Geschrei:


Dritter Streich

[356] »He, heraus! du Ziegen-Böck!

Schneider, Schneider, meck, meck, meck!!« –

– Alles konnte Böck ertragen,

Ohne nur ein Wort zu sagen;

Aber wenn er dies erfuhr,

Ging's ihm wider die Natur. –


Dritter Streich

Schnelle springt er mit der Elle

Über seines Hauses Schwelle,

Denn schon wieder ihm zum Schreck

Tönt ein lautes: »Meck, meck, meck!!«


Dritter Streich

[357] Und schon ist er auf der Brücke,

Kracks! die Brücke bricht in Stücke;


Dritter Streich

Wieder tönt es: »Meck, meck, meck!«

Plumps! da ist der Schneider weg!


Dritter Streich

[358] Grad als dieses vorgekommen,

Kommt ein Gänsepaar geschwommen,

Welches Böck in Todeshast

Krampfhaft bei den Beinen faßt.


Dritter Streich

Beide Gänse in der Hand,

Flattert er auf trocknes Land. –


Dritter Streich

[359] Übrigens bei alledem

Ist so etwas nicht bequem;


Dritter Streich

Dritter Streich

Dritter Streich

Dritter Streich

Wie denn Böck von der Geschichte

Auch das Magendrücken kriegte.
[360]

Dritter Streich

Hoch ist hier Frau Böck zu preisen!

Denn ein heißes Bügeleisen,


Auf den kalten Leib gebracht,

Hat es wieder gut gemacht. –


Dritter Streich

– Bald im Dorf hinauf, hinunter,

Hieß es: Böck ist wieder munter!! –


Dieses war der dritte Streich,

Doch der vierte folgt sogleich.
[361]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 1, Hamburg 1959, S. 355-362.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Max und Moritz
Max und Moritz auf Spanisch
Max und Moritz auf Chinesisch: Chinesische Nachdichtung von Lü Xuan (Chin./Dt.)
Max und Moritz
Klassiker-Sammelband mit CD: Struwwelpeter, Struwwelliese, Max und Moritz
Max und Moritz: Eine Bubengeschichte in sieben Streichen

Buchempfehlung

Prévost d'Exiles, Antoine-François

Manon Lescaut

Manon Lescaut

Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon