43. Die Frau von Weissenburg.

[188] Graf Friedrich, Pfalzgraf zu Sachsen, wohnte in dem Osterlande auf dem Schlosse Schiepelitz und hatte ein überaus schönes Weib, die hieß Adelheide und war des Herzogen von Sachsen Tochter. Die hatte Ludewig der zweite aus dermaßen lieb und hätte sie gerne zu der Ehe gehabt, wenn sie ihren Herrn nicht mehr hätte. Dasselbige Weib trug wieder große Liebe zu dem Landgrafen und legte mit ihm an, daß er bei Schieplitz jagte, sie wollte ihren Herrn dazu bringen, daß er das wehren sollte. Also kam Landgraf Ludewig mit seinen Hunden und bließ sein Horn und jagte mit Geschrei; dieweil saß der Pfalzgraf in einem Bade, wie das zuvor von dem Weibe geschicket und bestellt war.

Da lief das Weib zorniglich und mit Ungeduld über ihren Mann und warf ihm vor, wie er aller Enden nur seines Leibes Gemach suchte und Recht und Freiheit darüber verlöre und jeglichen mit seinem Gute und Herrschaft thun ließe, was er wolle. Da warf der Pfalzgraf einen Mantel über das Badehemde und fiel auf einen Hengst und rannte Ludewigen nach und strafte ihn, warum er mit Gewalt in seinem Walde jagte. Da schickte der einen seiner Diener, der mit einer Gleven (Lanze)[189] ihn durchstach1. Also ward er begraben in dem Münster zu Gesigk bei Naumburg, das derselbe Pfalzgraf gestiftet und gebaut hatte. Das ist geschehen nach Christi Geburt 1065.

In der Folge machte man darüber dies Gedicht:


Was woll'n wir aber singen,

Was wollt ihr für ein Lied?

Ein Lied von der Frauen zu Weissenburg,

Wie sie ihren Herren verrieth.


Sie ließ ein Briefelein schreiben,

Gar ferne ins thüringer Land,

Zu ihrem Ludewig Buhlen,

Daß er da käm' zur Hand.


Er sprach zu seinem Knechte:

»Sattel' du mir mein Pferd,

Wir wollen gen der Weissenburg,

Es ist nun Reitens werth.«


»Gott grüß euch, Adelheid, schöne,

Wünsch euch ein'n guten Tag;

Wo ist euer edler Herre,

Mit dem ich kämpfen mag?«


Die Frau locket ihren Herrn

Mit ihr'm falschen Gemüth,

Er reit't Nächten ganz spate

Mit Hunden nach dem Ried.


Da Ludewig unter die Linde kam,

Ja, unter die Linde so grün,

Da kam der Herr von der Weissenburg

Mit seinen Hunden so kühn.
[190]

»Willkommen Herr von der Weissenburg,

Gott geb' euch guten Muth;

Ihr sollt' nicht länger leben,

Denn heut diesen halben Tag.« –


»Soll ich nicht länger leben,

Denn diesen halben Tag,

So klag ich's Christ im Himmel,

Der all' Ding wenden mag.«


Sie kamen hart zusammen,

Mit Worten, Zorn, so groß,

Daß einer zu dem andern

Sein Armbrust abe schoß.


Er sprach zu seinem Knechte:

»Nun spann dein Armbrust ein

Und scheuß dem Herrn von der Weissenburg

Zur linken Seiten ein.« –


»Warum soll ich ihn schießen

Und morden auf dem Plan?

Hat er mir doch sein Leben lang

Noch nie kein Leid gethan.«


Da Nahm Ludewig sein Jägerspieß

Selber in seine Hand,

Durchrannt den Pfalzgrafen Friederich

Unter der Linden zur Hand.


Er sprach zu seinem Knechte:

»Reiten wir zur Weissenburg,

Da sind wir wohl gehalten,

Nach unserm Herz und Muth.«


Da er nun gegen die Weissenburg kam,

Wohl unter das hohe Haus,

Da sah die falsche Fraue

Mit Freuden zum Fenster raus.
[191]

»Gott grüß euch, edele Fraue,

Bescher' euch Glück und Heil,

Eu'r Will' der ist ergangen,

Todt habt ihr eur'n Gemal. –


Ist denn mein Will' ergangen,

Mein edeler Herre todt,

So will ich's nicht eher glauben,

Ich seh' dann sein Blut so roth.«


Er zog aus seiner Scheiden

Ein Schwerdt von Blut so roth:

»Steh da, du edele Fraue,

Ein Zeichen deines Herren Tod.«


Sie rang ihr' weißen Hände,

Rauft aus ihr geelweiß Haar:

»Hilf, reicher Christ vom Himmel,

Was hab ich nun gethan!«


Sie zog von ihrem Finger

Ein Ringelein von Gold,

»Nimm hin, du Ludewig, Buhle,

Gedenk da meiner Huld.« –


»Was soll mir doch das Fingerlein,

Das veracht't gewonnen Gold,

Wenn ich daran gedenke,

Mein Herz wird nimmer bold2


Deß erschrack die Frau von der Weissenburg,

Faßt einen traurigen Muth:

»Verlaß mich Heldenfürste nicht,

Mein edeler Herre ist todt.«


Fußnoten

1 Nach anderer Nachricht tödtete Ludewig ihn selbst.


2 Kühn, munter, froh.


Quelle:
Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, S. 188-192.
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