Ein französisches Lied

[206] Nach der Melodie:

Es ritten drei Reiter zum Tore hinaus.


Und sitz ich am Tische beim Glase Wein,

Trink aus!

Und stimmen auch wacker die Freunde mit ein,

Trink aus![206]

So geht mir zu Herzen das Heil der Welt:

's ist gar zu erbärmlich damit auch bestellt,

Trink aus, trink aus, trink aus!

Es treiben's die Leute zu kraus!


Ich sollte nur tragen der Herrschaft Last,

Trink aus!

Es stünde bald anders und besser fast.

Trink aus!

Die Presse zuerst und die Wahlen frei,

Die Presse, sie dient mir als Polizei.

Trink aus, trink aus, trink aus!

Es treiben's die Leute zu kraus!


Wann erst in dem Hause Vertrauen besteht,

Trink aus!

Geht alles von selbst, was nimmer sonst geht.

Trink aus!

Wir schaffen uns bald vor den Mönchen Ruh,

Wir schicken die frommsten dem Chaves zu,

Trink aus, trink aus, trink aus!

Es treiben's die Leute zu kraus!


Es mögen die Städte verwalten sodann –

Trink aus!

Die eignen Geschäfte, es geht sie nur an,

Trink aus!

Regieren nur wenig, das wenige gut,

Das hab ich der Ruhe halber geruht,

Trink aus, trink aus, trink aus!

Es trieben's die Leute zu kraus!


Und merkt euch, ihr Freunde, wie trefflich es schafft!

Trink aus!

Die Liebe der Völker, da lieget die Kraft,

Trink aus!

Wie klingen die Gläser in heiliger Lust,

Wie schallt das Gebet mir aus jeglicher Brust,

Trink aus, trink aus, trink aus!

Der König hoch, und sein Haus!
[207]

Sind aber die Gläser und Flaschen erst leer,

Zu Bett!

Dann werden der Kopf und die Zunge mir schwer,

Zu Bett!

Mein Weib wird mich schelten, mein Herrschen ist aus,

Ich schleiche mich leise, ganz leise nach Haus,

Zu Bett, zu Bett, zu Bett!

Daß sie den Pantoffel nicht hätt!


Quelle:
Adalbert von Chamisso: Sämtliche Werke. Band 1, München [1975], S. 206-208.
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