[206] Im Anfang war's auf Erden
Nur finster, wüst, und leer;
Und sollt was sein und werden,
Mußt es woanders her.
Alle gute Gabe
Kam oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!
So ist es hergegangen
Im Anfang, als Gott sprach;[206]
Und wie sich's angefangen,
So geht's noch diesen Tag.
Alle gute Gabe
Kömmt oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!
Wir pflügen, und wir streuen
Den Samen auf das Land;
Doch Wachstum und Gedeihen
Steht nicht in unsrer Hand.
[207] Alle gute Gabe
Kömmt oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!
Der tut mit leisem Wehen
Sich mild und heimlich auf,
Und träuft, wenn wir heimgehen,
Wuchs und Gedeihen drauf.
Alle gute Gabe etc.
Der sendet Tau und Regen,
Und Sonn- und Mondenschein,
Der wickelt Gottes Segen
Gar zart und künstlich ein.
Alle gute Gabe etc.
Und bringt ihn denn behende
In unser Feld und Brot;
Es geht durch seine Hände,
Kömmt aber her von Gott.
Alle gute Gabe etc.
Was nah ist und was ferne,
Von Gott kömmt alles her!
Der Strohhalm und die Sterne,
Der Sperling und das Meer.
Alle gute Gabe etc.
[208]
Von Ihm sind Büsch und Blätter,
Und Korn und Obst von Ihm,
Von Ihm mild Frühlingswetter,
Und Schnee und Ungestüm.
Alle gute Gabe
Kömmt von oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab.
Er, Er macht Sonnaufgehen,
Er stellt des Mondes Lauf,
Er läßt die Winde wehen,
Er tut den Himmel auf.
Alle gute Gabe etc.
Er schenkt uns Vieh und Freude,
Er macht uns frisch und rot,
Er gibt den Kühen Weide,
Und unsern Kindern Brot.
Alle gute Gabe etc.
Auch Frommsein und Vertrauen,
Und stiller edler Sinn,
Ihm flehn, und auf Ihn schauen,
Kömmt alles uns durch Ihn.
Alle gute Gabe etc.
Er gehet ungesehen
Im Dorfe um und wacht,[209]
Und rührt die herzlich flehen
Im Schlafe an bei Nacht.
Alle gute Gabe etc.
Darum, so wolln wir loben,
Und loben immerdar
Den großen Geber oben.
Er ist's! und Er ist's gar!
Alle gute Gabe etc.
UNKE: »Gnädiger Herr, wir haben noch etwas hinten dran gemacht, auf heute; dürfen wir das auch singen?«
HR. V. HOCHHEIM: »Warum nicht, Unke?«
Und Er hat große Dinge
An Nachbar Paul getan;
Denn ärmlich und geringe
Trat Paul sein Erbe an.
Alle gute Gabe etc.
Er hat bewahrt vor Schaden,
Hat reichlich ihn bedacht,
Hat heute ihm aus Gnaden
Ein Jubilei gemacht.
Alle gute Gabe
Kömmt von oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab.
Und solche Gnad und Treue
Tut er den Menschen gern.[210]
Er segne Paul aufs neue,
Und unsern lieben Herrn!
UNKE: »Das noch einmal, Westen.«
Und solche Gnad und Treue
Tut er den Menschen gern.
Er segne Paul aufs neue,
Und unsern lieben Herrn!
Alle gute Gabe
Kömmt oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!
DER ALTE PAUL saß sehr bewegt, und sahe einen Nachbar nach dem andern an: »Nachbarn! ich danke euch! Gott lasse einen jeden von euch den Tag auch erleben, und gebe ihm denn auch solche Nachbaren als er mir gegeben hat. – – – –
Aber laßt uns nun unsre beste Gesundheit trinken. Steht auf Kinder, und ruft den Knechten daß sie die Sicheln streichen.«
Herr v. Hochheim merkte, worauf es gemünzt war, und sahe Paul an und schüttelte mit dem Kopf. Der aber hörte nicht drauf.
HERR V. HOCHHEIM zu den Bauern: »Laßt's gut sein Leute, wenigstens bleibt sitzen.«
PAUL: »Nein, gnädiger Herr! Sie sind es wert.
Steht alle auf Kinder, und nehmt die Hüte ab.
Wir wissen wohl, gnädiger Herr, daß Sie unsern Dank nicht verlangen; so sehen Sie weg. Wir wollen ihn hier vor Gott bringen, und der wird nicht wegsehen.«
UNKE: »Aufgestanden wer sich rühren kann! Unsers gnädigen Herrn seine Gesundheit soll getrunken werden.«
WESTEN: »Es wird auch wohl schwerlich einer wollen sitzen bleiben, Unke.«
UNKE: »Seht! Jost ist eingeschlafen! Laßt ihn. Gott gibt's seinen Freunden schlafend, er wird den alten Jost auch schlafend hören. Laßt ihn, und gebt mir sein Glas in die linke Hand.«
Die Bauern standen nun alle, mit entblößtem Haupt. Auch[211] am andern Tisch, als ob die Empfindung epidemisch würde und Recht 'nmal Recht bleiben wollte, stand einer nach dem andern auf, auch der Herr von Saalbader und seine Mutter. Und die Knechte strichen die Sicheln.
PAUL mit dem Glas in der Hand: »Nun denn in Gottes Namen. Unsers lieben, guten, frommen, gnädigen Herrn von Hochheim seine Gesundheit! – daß Gott ihm lohne! – – und daß Gott ihn segne! – wie er uns segnet! – – – – – – – – – – – – – – – – –«
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