Martin Neuman und Maria Paschke

[126] 4. Apr. 1644.


Das gewünschte Früelings-Liecht

Wird vns ja einmahl erfrewen,

Daß der Erden Angesicht

Sich sampt vnserm mag vernewen

Vnd ein warmer Sonnen-Schein

Vns vergönn' entpeltzt zu seyn.


Der noch kahlen Bäume Safft

Aengstigt fast sich in den Zweigen,

Sehnt sich mit belebter Krafft

Immer Gipffel-an zu steigen,

Ist gantz zur Geburt geschickt,

Wenn jhn Wärme nur erquickt.
[126]

Des sehr kalten Nordens Macht

Liegt den Bäumen vnd der Erden

Grawsam vor der Thür vnd wacht,

Daß nichts kan geöffnet werden.

Alles bräche stracks hervor,

Räumte dieser Feind das Thor.


Sonne, Printz vnd Mahß der Zeit,

Du Gebieter aller Stunden,

Bild der güldnen Ewigheit,

Laß erfrewlich seyn entbunden

Was die trübe Vorjahrs-Kält'

Hin vnd her bestricket hält.


Wirff die angenehme Strahlen

Durch der Erden weites Hauß,

Laß sie Thal vnd Berge mahlen,

Schmück Feld, Wald vnd Wiesen aus,

Gib durch einen warmen Ost

Vieh vnd Menschen Gnüg vnd Trost.


Zwar man hat der LerchenThon

Eine gutte Zeit vernommen,

Vnd der trewe Storch ist schon

Auff sein alttes Nest gekommen,

Haaff vnd Pregel rinnen klar,

Nur der Frost wehrt jmmerdar.


Was geht dieß den Bräutgam an?

Glück und Zeit giebt jhm gewonnen.

Was sein Hertz vernewen kan,

Ist nicht Lufft, nicht Glantz der Sonnen;

Seiner Liebsten Aügelein

Sind jhm Lufft vnd Sonnen-Schein.


Dieser keuschen Einfalt Muth,

Dieses lieben Frülings Gaben,

Diese Newheit, dieses Gut

Wil Herr Newman endlich haben:

Vnd wird gnugsam seyn erfrewt,

Nun er so sein Hertz vernewt.


Gottesfurcht, der Demut Kunst,

Trew vnd Fleiß in allen Sachen,

Vnd so hoher Leute Gunst

Wolten jhn vernewert machen,

Die ein grosses Gnaden-Pfandt

Ihm vom Fürsten zugewandt.


Dieß ist aber eigentlich

Seines Lebens Zweck gewesen,

Hie vernewt er erstlich sich,

Hiedurch kan er recht genesen,

Jetzt bekennt er allen frey,

Daß er recht ein New-Mann sey.


Lebt in vnbesorgter Rhue,

Was der Zeiten Wechsel mache,

Was der liebe Früling thue,

Ob er wein' vnd ob er lache,

Newerung ist was jhn kränckt,

Was er anhebt vnd gedenckt.


Last jhn, wie jhm nur bewust,

Sich vernewen vnd verjüngen,

Doch daß er nach aller Lust

Jährlich Neumans-Frucht mag bringen,

Vnd nicht zu versprechen new,

Aber alt zu liefern sey.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 126-127.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon