Ahasverus Schmittner und Anna Regina Fahrenheidt

1646. 22. Weinmonats-Tag.


Sollt Ihr ohn meine Seiten

Zur andern Heyraht schreiten,

Herr Doctor? Zeig ich nicht

Euch hier auch meine Pflicht?


Der ersten Hochzeit wesen,

Woltt' etwas von mir lesen,

Wann ich gedencken kan,

So grieff ich mich auch an.


Der Todt riss' ewre Flammen

O grosses Leid! von sammen,

Mein Klag- vnd Trawer-Schall

Beweint' auch solchen Fall.


Was sol ich anders machen

Bey den verwirrten Sachen

Der immer-tollen Welt,

Die sich für klug nur helt?


Nach dem man mir gegeben

Am Pregel-Strom mein Leben

Zu schliessen, welches mich

Ergetzet inniglich.


Hie sitz ich gantz zufrieden

Von Glück vnd Welt geschieden,

Vnd sehe gern vnd wol

Was mir begegnen sol.


Pflegt Kranckheit mich zu schwächen,

Ich kan mich jhr entbrechen,

Vnd wende was ich weis

Nur auff gelehrten fleiß.


Ist mir was lieb vnd eigen,

Ich ruff es an zu zeugen,

Das Faulheit niemals stat

Bey mir gefunden hat.


Ich grüsse die Poeten

Offt vor den Morgenröhten,

Deß Nacht vnd Monden-Schein

Mir wird geständig seyn.


Was hab ich sonst zu schaffen?

Mein Wesen sind nicht Waffen,

Nicht Kauffschlag, noch durch Zanck

Auffwarten vor der Banck.


Kein Mensch hat mich gesehen

Die Würffel trieglich drehen,

Liebt jemand KarttenSpiel,

Ich halt' auff den nicht viel.


Auch pfleg ich Schwelgereyen

Dem Diebstall gleich zu schewen,

Die Schnecke liebt jhr Hauß,

Auch ich geh vngern aus.


Daß ich nicht Bücher schreibe,

Vnd gern vergessen bleibe:

Was ist nicht gnug bekant

Durch weiser Leute Hand?


Weit besser ist es schweigen,

Als lahm vnd päwrisch geigen,

Voraus wann dieser frist

So scharffes Vrtheil ist.


Werd' aber ich begehret,

So wird auch gern gewehret

Dem Land vnd dieser Stadt

Was mein Vermögen hat.


Herr Doctor, Euch für allen,

Euch säng ich zugefallen,

Thät' auch mein Spiel dem Chor

Der Musen gleich zuvor.


Nechst sang ich Euch im Leiden,

Gott lob, anietzt in Frewden,

Nun Ewer Trawer-Standt

In Hochzeit sich gewandt.


Ihr seyd durch Liebes-Orden

Gantz anders nun geworden,

Vor sah' Euch Jederman

Nicht ohn Erbarmen an.
[164]

Jetzt thut Ihr alle Sachen

Mit Liebe, Lust vnd Lachen,

Schertz, Gnüg vnd Freundlicheit

Giebt stets Euch das Geleit.


Ihr krieget von dem Schneider

Anjetzt viel andre Kleider,

Des langen Mantels Tracht

Ist nun gar kurtz gemacht.


Was vor in Ewrem Leide

Nur Tuch war, ist nun Seide,

Der schwartze Flohr ist gantz

Verkehrt in einen Krantz.


Was kan doch vnsern Sinnen

Den Wechsel angewinnen?

Was nimmt so bald vns ein?

Der Liebe süsse Pein.


Die weis vns vns zu geben,

Die heisst die Todten leben,

Die Alten seyn ein Kind,

Vnd Argus selber blind,


Macht Sclaven aus Regenten,

Aus Aertzten Patienten

Vnd kehrt der Höllen Nacht

In liechte Himmels-Pracht.


Wer jetzt in Ewrem Hertzen

Sucht Kummer oder Schmertzen,

Sucht hie im Brachmon Schnee,

Im Hornung süssen Klee.


Vnd möchtet Ihr nur singen,

Giengt stets herein in Springen

Erfrewt ohn Maaß vnd Rhue,

Ihr habt hie-Vrsach-zu.


Ihr kriegt ein Bild der Schönen,

Für welcher die Sirenen

Vnd Leden thewres Kind

Sampt Venus heßlich sind.


Was darff ich Lügner werden?

Sie nähme durch Geberden

Vnd durch der Augen Schein

Die wilden Tieger ein.


Wo laß ich Ihre Sitten,

Die manches Hertz bestritten?

Wo Ihrer Worte Zier,

Die himlisch sind bey Ihr?


Ihr mögt wol warlich sagen,

Es haben sich vertragen,

Glück, Lieb vnd Rhum zugleich,

Herr Bräutgam, über Euch.


Glückselig ist die Stunde,

In der Ihr Euch dem Bunde

Der Kunst ergeben habt,

Die Euch so hoch begabt.


Must Euch Galenus weichen,

Hippocrates imgleichen,

Ihr hettet hiedurch Lohn

Vnd Ehre gnug davon.


Lasst Phoebus sich erfrewen,

Vnd alle Musen schreyen

Sampt vnsrer gantzen Schaar:

Glück zu dem Edlen Paar!


Gott woll' Euch nur erhalten,

Vnd ob Euch lassen walten,

Rhue, Leben, Fruchtbarkeit,

Daß Ihr gesegnet seyd.


Nur bleibet mir gewogen,

Der ich dieß Lied vollzogen,

Als gestern bey dem Spiel

Die Nacht mich überfiel.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 162-165.
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