[Wer weiß Bescheidt]

[23] Wer weiß Bescheidt,

Der Sterbligkeit

Mich seelig zu entladen,

Damit sie nicht

Nach diesem Liecht

Mir ewig möge schaden?

Das kan vnd thut

Mein höchstes Gut

Der reiche Brunn der Gnaden.


Herr Jesu Christ,

Du einig bist

Der mich weiß zu erretten,

Ob alle Noht

Ja Hell' vnd Todt

Mich gleich vmbgeben hetten,

Mein Trost, durch dich

Befrey' ich mich

Der schweren LeibesKetten.


Wenn ich nun soll

Des Lebens Zoll

Durch meinen Todt dir reichen,

Vnd kommen bin

Von Witz vnd Sinn,

Die Röhte muß verbleichen,

Der Zungen Krafft

Nichts thut vnd schafft,

Wenn Ohr vnd Augen weichen;


Wirst Du allein

Noch vmb mich seyn,

Mir Rhat vnd trost beybringen,

Daß nicht mein Hertz

Durch grossen schmertz

Des Todes mag zerspringen,

Wirst helffen mir

Der Frommen Zier

Die Ehren-Kron' erringen.


Sonst weiß ich nicht,

Herr Christ, mein Liecht,

Warumb du hier auff Erden

Das, was wir sind,

Ein schwaches Kind,

Ohn schuld hast wollen werden,

Dich arm vnd schlecht

Als sonst ein Knecht

Erweisen an Geberden,


Verachtet stehn,

Vnd müssig gehn

Der Welt sampt jhren frewden,

Warumb Du dich

So williglich

Erzeigt in allem Leiden,

Vnd keine Noht

Auch nicht den Todt

Zuletzt hast wollen meiden.
[23]

Ich aber bin

In meinem Sinn

Der Sachen überführet,

Daß mir dein Blut

Das höchste Gut

Der Seeligkeit gebieret,

Vnd das mein Heil

Des Himmels Theil

Aus deinem Tode rühret.


Nur schreib hinfort

Dein Glaubenswort

Tief ein den schwachen sinnen,

Vnd schencke mir,

Daß ich in Dir

Mag ferner krafft gewinnen,

Vnd ist es zeit,

So nim auch heut

Mich seeliglich von hinnen.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 23-24.
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