In der Melodey: Am Wasserflüssen Babylon etc.
1648. 18. Hornung.
Ach wie verkehrt es sich so sehr
Mit Himmel, Lufft vnd Erden?
Was ursach lässt es jetzt nicht mehr,
Wie vormahls, Winter werden:
Hat Gott wo, sein Geschöpff, die Welt
Auß seiner Auffsicht Hut gestellt,
Vnd sich für vns verborgen?
Geht unbekümmert ohn gefehr
Wo umb des Himmels umbgang her,
Vnd wil für nichts mehr sorgen:
Ist der Natur geheiß vnd zwangk
Mehr nichts als ein Geschwätze?
Vnd hat der Mond- vnd Sonnengangk
Nicht Zügel noch Gesetze?
Wirstu mit deinem Bund, O Gott,
Vnd deinem Worte nun zu spott?
So lang die Welt wird stehen,[190]
Soll, sagtest du: des Sommers pracht,
Des Winters-Frost, sampt Tag vnd Nacht
Stets Wechsel-richtig gehen.
Nein, deine Satzung bleibt getrew,
Recht aber zu ergründen,
Woher diß weiche Wetter sey,
Es rührt von unsern Sünden:
Du richtest dich nach unserm Thun
Vnd hast, wie allzeit so auch nun,
Vns gleichsam zu Gefährten.
Denn bey den Reinen pflegst du rein
Vnd bey den Frommen fromm zu seyn,
Verkehrt bey den Verkehrten.
Wir alle gehen unsern Pfadt
Vnd auff verderbten Wegen,
Wir folgen unsers Frevels Rath,
Vnd wandeln dir entgegen:
Die Predigt dräwt uns Fluch vnd Bann,
Wir kehren uns nicht groß daran:
Das Recht ist Vnrecht worden,
Der Glaub hat weder Mund noch Hand,
Die Lieb ist in Betrug gewandt
Bey jedem Stand vnd Orden.
Die beste Kunst ist überall
Den Nechsten können schertzen,
Im Munde wohnt vns Honig, Gall
Im Heuchlerischen Hertzen,
Der Geitz frist wie ein Krebs umb sich,
Das Armuth weinet bitterlich
Vnd kan jhm nirgends rahten,
Der Vnschuld ruhm wird außgelacht
Von Vnzucht, Hochmuth, Stoltz vnd Pracht
Vnd andern Missethaten.
Drumb fährst du auch mit vns verkehrt,
Vnd zürnst gerechtermassen,
Wir sind mehr keines Winters wehrt,
Gantz wüst sind alle Strassen,
Der böse Weg läst nichts herein,
Die Stadt muß gantz ohn Nahrung seyn,
Kein Handel ist zu schawen,
Die Ströme hegen Dampff vnd Wust,
Das Erdreich Fieber, Flüss' vnd Hust,
Der Himmel Pest vnd Grawen.
[191]
Das Hertz in vns verschmachtet fast,
Für wartung böser Dinge,
Dein Trost ist vns für aller Last
Des Schreckens zu geringe,
Wir bringen Wunderzeichen auß,
Die irgendswo des Himmels-Hauß
Soll' haben lassen sehen,
So daß wir unsrer Straff vnd Pein
Vnd dessen eigne Bohten seyn,
Was künfftig sol geschehen.
Doch fallen wir dir in der Zeit,
O Vater, in die Rutte,
Ach straff vns mit gelindigheit,
Nicht mit ergrimmtem Muthe.
Wir haben wider dich gethan,
Vnd klagen selbst uns darumb an,
Hab unser doch erbarmen,
Erkenn, daß sich für unsre Noht
Dein Sohn gegeben in den Todt,
Vnd hilff durch Ihn vns Armen.
Schick vns gesundes Wetter her,
Vnd laß dich doch gewinnen,
Treib aus dem Lande das Beschwer,
Die Furcht aus unsern Sinnen.
Für allen gib, daß unser Hertz
Der Boßheit trage Rew vnd Schmertz
In ängstigen Geberden,
Bekehrt sich dieses nur zu Dir,
So kehrst du dich zu uns, daß wir
Dir frölich dancken werden.
Dem Kneiphöfischen Pauper-Hause zu gut geschrieben
Von Simon Dachen.
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